Ebola in Westafrika: Der kranke Krisenkontinent
Weil sich in Westafrika Ebola-Fälle häufen, haben es auch Liberia und Sierre Leone in die Nachrichten geschafft. Die Angst vor der Epidemie bedient westliche Klischees.
A BUJA taz Nicht Terrorismus und Boko Haram, sondern Ebola. Nigeria kommt nicht raus aus den internationalen Schlagzeilen und ist mittlerweile das vierte Land in Westafrika, in dem es einen bestätigten Fall gibt. Das passt ins Klischee. Afrika – gerade im Westen – ist und bleibt der kranke Krisenkontinent. Dank Ebola hört man plötzlich wieder von Ländern wie Liberia und Sierra Leone, die sonst vermutlich nur wenige Menschen überhaupt auf der Landkarte einordnen könnten und über die ohne Krise und Katastrophe eigentlich nie gesprochen wird.
Die Krankheit eignet sich besser noch als politisches Chaos oder ein Putsch. Politische Krisen gelten schließlich als hausgemacht und deshalb typisch. Mit Kranken im Allgemeinen und mit Ebolakranken im Speziellen hat man mehr Mitleid. Schon das Wort klingt düster und gefährlich. Dazu trägt bei, dass das Virus – er wurde erstmals 1976 im Kongo und im Sudan bekannt – bisher in Epidemie-Form nur in Afrika aufgetreten ist.
Dunkel und riskant macht Ebola außerdem der in aller Regel tödliche Verlauf mit seinen beschriebenen Symptomen. Innere und äußere Blutungen hören sich beängstigend an. Ebola hat eine Wucht, die gut für die große Krise ist.
Natürlich sind 729 Ebola-Opfer ein Grund zur Sorge. Noch nie hat es so viele bei einer Epidemie gegeben, aber im Vergleich zu anderen Krankheiten ist die Zahl extrem gering. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation stirbt in Afrika alle fünf Minuten ein Kind an Malaria. Alleine 2012 sollen insgesamt 627.000 Menschen Opfer geworden sein. Viele Fälle könnten freilich vermieden werden, wenn diese Kinder schneller in Kliniken gebracht würden und Behandlungen grundsätzlich kostenfrei wären.
Doch darüber spricht außer am 25. April, dem weltweiten Malaria-Tag, kaum jemand. Malaria? Klar, kennt man ja. Jeder, der ein Ticket nach Afrika bucht, wird darauf hingewiesen und kümmert sich in der Regel um eine gute Prophylaxe.
Angst hält sich in Grenzen
Dabei kann man sich auch gegen Ebola schützen. Übertragen wird sie durch Kontakte zu Flughunden und Affen, die als Träger des Virus gelten. Bush Meat – das kann alles von der Ratte bis zum Affen sein – ist in weiten Teilen Westafrikas zwar beliebt, muss aber nicht zwingend auf den Tisch. Von Mensch zu Mensch wird die Krankheit durch den Austausch von Körperflüssigkeiten weitergegeben. Auch das ließe sich vermeiden, wenn Sicherheitshinweise akzeptiert und befolgt werden. Genau das ist noch häufig das Problem. Die Krankheit ist in Westafrika zu neu. Persönliche Erfahrungswerte und Erinnerungen an frühere Epidemien gibt es nicht.
Informationen gibt es in Nigeria indes reichlich, obwohl der Ausbruch nicht mit den Dimensionen in Guinea, Liberia und Sierra Leone zu vergleichen ist. Als der erste Fall nur ein bloßer Verdacht war, fingen Botschaften und andere Behörden an, Alarm zu schlagen und Informationsblätter zu versenden. Zwei Fluggesellschaften haben den Flugverkehr nach Sierra Leone und Liberia eingestellt.
Auch aus den so beliebten Radio-Talkshows, in denen sich Zuhörer zu Wort melden können, ist Ebola seit ein paar Tagen nicht mehr wegzudenken. Noch ist die Stimmung aber weit weniger angespannt als das, was nach Europa dringt. Manche Zuhörer haben zwar Angst vor der Ansteckung. Aber die hält sich in Grenzen. Was ist schon ein Toter in einem Land mit mindestens 170 Millionen Einwohnern, findet ein Zuhörer. Und eine junge Frau ergänzt: „Haben wir nicht eigentlich ganz andere Probleme in Nigeria?“
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