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EU will Aufrüsten„Kriegstüchtiges“ Europa bis 2030

Die EU-Kommission stellt ein Strategiepapier zur europäischen Aufrüstung vor. Insgesamt sollen 800 Milliarden Euro in mehrere Programme fließen.

Ursula von der Leyen plant die „Wiederbewaffnung“ Europas. Das EU-Parlament hat dabei aber nichts zu melden Foto: Virginia Mayo/ap/dpa

Brüssel taz | „Die Geschichte wird uns Untätigkeit nicht verzeihen“, heißt es in einem Weißbuch zur Verteidigung, das die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel vorgelegt hat. Darin wird der Weg zu einer umfassenden „Wiederbewaffnung“ Europas vorgezeichnet.

Die neue Strategie hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits im Dezember angekündigt, zu Beginn ihrer zweiten Amtszeit in Brüssel. Die Aufrüstung der EU ist daher nicht auf die jüngsten Ankündigungen von US-Präsident Donald Trump zurückzuführen. Allerdings bietet Trumps unberechenbarer Kurs einen willkommenen Grund für von der Leyen, um sich wieder mehr Macht zu sichern.

Die Aufrüstung soll nämlich von ihrer Brüsseler Behörde organisiert werden. Ähnlich wie in der Coronapandemie, als von der Leyen den Kauf von Impfstoff koordinierte, will sie auch bei der Beschaffung von Rüstungsgütern eine Schlüsselrolle spielen. Obwohl Rüstung und Verteidigung laut EU-Vertrag in den Händen der Mitgliedsstaaten liegen, entwickelt die Von-der-Leyen-Behörde detaillierte Pläne.

In dem nun vorgelegten Strategiepapier wird nicht nur empfohlen, dass die EU bis zum Jahr 2030 kriegstauglich sein soll („Readiness 2030“). Brüssel hat auch sieben Schlüsselbereiche ausgemacht, in denen es militärische „Fähigkeitslücken“ gebe. Dazu gehören Luftverteidigung und Raketenabwehr, aber auch Artilleriesysteme, Drohnen und Transportkapazitäten.

Enge Absprachen beim Kauf

Beim Kauf der Waffensysteme sollen die Mitgliedsstaaten eng zusammenarbeiten. Bei Gemeinschaftsprojekten sollen europäische Hersteller bevorzugt werden. Auch Kriegswaffen müssen zu 65 Prozent in der EU, in der Ukraine oder in anderen europäischen Ländern hergestellt werden. „Wir müssen mehr in Europa kaufen“, so von der Leyen. Eine exklusive „Buy European“-Klausel sei das aber nicht.

Auch an die Finanzierung hat die EU-Kommission gedacht. Für den Kauf von Rüstungsgütern will sie neue Kredite im Wert von bis zu 150 Milliarden Euro an die EU-Länder ver­geben. Außerdem sollen die EU-Schul­d­enregeln gelockert werden. Insgesamt geht es bei „SAFE EU“ und „ReArm Europe“ – so heißen die Programme – um bis zu 800 ­Milliarden Euro. Das ist mehr als nach der Coronakrise.

Die Aufrüstungspläne sollen im Eilverfahren beschlossen werden – ohne Beteiligung des Europaparlaments. Die Abgeordneten dürften auch später, bei der Vergabe der Kredite und der Bewilligung der Rüstungsprojekte, wenig zu melden haben. Dies zeigen die Erfahrungen mit dem Corona-Aufbaufonds: Die Entscheidungen über die Projekte und das Geld fallen in der Kommission, nicht im Parlament.

Die Eile begründet von der Leyens Team mit dem Krieg in der Ukraine, aber auch mit den laufenden Friedensgesprächen. „Wenn es Russland erlaubt wird, seine Ziele in der Ukraine zu erreichen, dann werden seine territorialen Ansprüche noch darüber hinausgehen“, heißt es.

Keine klare Linie

Widersprüchlich sind die Aussagen zu den USA und zur Nato. Einerseits betont die EU-Behörde, dass sie am Nordatlantikpakt festhalten will. Andererseits ist von einer „Europäischen Verteidigungsunion“ die Rede, die unabhängig agieren soll. Unter Trump könne man sich nicht mehr auf Sicherheitsgarantien aus den USA verlassen.

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10 Kommentare

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  • "Insgesamt sollen 800 Milliarden Euro..."



    Das mutet für die EU doch ziemlich lächerlich an. Wo doch gerade Deutschland allein 500 Milliarden (noch dazu nach oben unbegrenzt offen) locker gemacht hat.



    BTW: Trump wollte doch immer, dass die Europäer mehr für Ihr Militär ausgeben. Trump hat gewonnen :-)

  • Was ich mich frage: Hat man mit Putin vielleicht telefoniert und ihn gefragt, ob er eventuell bis 2030 mit seinem Angriff auf EU- und Natoländer warten könnte, da wir noch nicht verteidigungsfähig bzw. kriegstüchtig sind?



    Ich kapiere das nicht! Ist Putin aktuell eine militärische Gefahr oder erst ab 2030? Wenn wir jetzt nicht kriegstüchtig sind, dann ist es doch praktisch eine Einladung für Putin uns jetzt anzugreifen. Für die Ukraine ist Putin aktuell eine militärische Gefahr, ist ja klar, aber für die EU und Nato also erst ab 2030.



    Ich habe den Eindruck, dass wir durch Narrative, also Angst und Schrecken, dieses kostspielige Vorhaben der Aufrüstung legitimieren wollen, um demokratische Streitgespräche zu umgehen.



    Könnte mir jemand bitte diesen Widerspruch erklären!

    • @c. F:

      "Könnte mir jemand bitte diesen Widerspruch erklären!"



      Dieser Widerspruch ist nur scheinbar. Die Politiker wurden tatsächlich durch die Realität aufgeschreckt, verfallen aber, sobald sie wieder in ihren bequemen Sesseln sitzen, in ihre üblichen Routinen. Ist ja auch menschlich. Sie sind schlicht ungeeignet, dringende Probleme rasch zu lösen.



      Ich vermute dahinter - bis auf wenige Ausnahmen, die es durchaus geben dürfte - nicht einmal böse Absichten. Impompetenz reicht völlig

    • @c. F:

      Des Rätsels Lösung ist ziemlich einfach: momentan verheizt die russische Armee in der Ukraine ihr Gerät. Wenn sie die Ukraine unter Kontrolle haben, werden sie weiter massiv Kriegsgerät produzieren und in ein paar Jahren bereit für den Einmarsch im Baltikum oder die Zerschlagung der Rest-Ukraine sein. Bis dahin haben wir noch Zeit, um uns zu rüsten.

    • @c. F:

      Putins Kräfte sind gerade zu großen Teilen in der Ukraine gebündelt, noch reicht es nicht die Nato anzugreifen.



      Aber Russland rüstet die ganze Zeit beständig auf, wenn wir nicht gleich auf Kriegswirtschaft umrüsten wollen braucht das Zeit. 2030 ist sowieso schon ein strammes Ziel, Panzer, Flugzeuge, Drohnen, Schiffe und Munition lässt sich nicht einfach bei Amazon bestellen.

  • Ich fasse zusammen:



    Von der Leyen, welche in der BRD nicht in der Lage war ein Holzschiffchen reparieren zu lassen und in Zuge dessen durch verschwenderisches/korruptes Verhalten auffiel soll jetzt die EU aufrüsten.



    Sie hat ja bereits die BW modernisiert. Ergebniss sieht man heute noch.



    Bei verschiedenen Vorgängen während der Coronapandemie ist sie wieder durch korruptes Verhalten aufgefallen. Und jedes Mal lässt sie ihre Handys und PC's verschwinden.



    Und diese Person gibt jetzt am EU-Parlament vorbei 800Mrd. für Rüstungsgüter aus.



    Oh man, sorry EU.

    • @Genosse Luzifer:

      ""... am EU-Parlament vorbei 800Mrd. für Rüstungsgüter ...""



      ===



      Genauer hinschauen hilft. Die EU stellt 150 Milliarden an Krediten zur Verfügung um Rüstungsgüter vorzufinanzieren.

      Die restlichen 650 Milliarden finanzieren die EU Länder über die Aufstockung ihrer nationalen Rüstungsausgaben um das 2% Ziel zu erreichen.

      Generalinspekteur der Bundeswehr Breuer warnt vor russischen Angriffen auf Natostaaten ab 2029. Die Befürchtung eines russischen Angriffs basiert auf einer Gefahrenanalyse der Bundeswehr. Breuer erklärte weiterhin dass man Putins Aussagen ernst nehmen und das russische Handeln als Beweis dafür sehen müsse, dass dies keine leeren Worte seien. Russland plane, seine militärische Stärke auf etwa 1,5 Millionen Soldaten zu erhöhen, was mehr wäre als in der gesamten EU, so Breuer. Auch die Ausrüstung für diese Streitkräfte werde bereits produziert. Russland sei in der Lage, jährlich 1000 bis 1500 Panzer zu produzieren, was etwa dem Potenzial entspricht, das derzeit in den Depots europäischer Armeen lagert.

      Klartext:



      UVDL verkündet Hilfestellungen zur Finanzierung von Rüstungsausgaben - über die Ausgaben entscheiden die Parlamente jedes Staates selbständig.

  • Ursula vd Leyen und das Militär. Wenn ich mich recht erinnere hatte sie die Bundeswehr ruiniert, und sich mit Forderungen wie der für schwangerentaugliche Panzer hervorgetan. Expertise sieht anders aus.

  • Von Verteidigung bitte die Finger weg EU



    Bitte keinen Brüsseler Beamtenfilz samt Regulierungswahn und EU-Bürokratiemonster im Thema Verteidigung. Und schon gar keine Einstimmigkeit, sonst kann Orban die Kasernen "abschließen" lassen.

  • Wir haben nicht bis 2030. Wir haben vielleicht noch bis 2028, vielleicht sogar nur bis 2026.