EU lässt Konzerne noch mal davonkommen: Stromversorger dürfen Netze behalten
Sieg für die Stromlobby: Die Konzerne müssen ihre Kontrolle über die Netze nicht aufgeben - bloß Produktion und Übertragung stärker trennen.
FREIBURG taz Im europäischen Strom- und Gasmarkt wird es nur eine Entflechtung light geben. Was sich Mitte vorvergangener Woche bereits angedeutet hat, ist nun beschlossene Sache: Die Energieminister einigten sich am Freitagabend darauf, dass die EU nicht auf einer strikten eigentumsrechtlichen Trennung von Energieerzeugung und Übertragungsnetzen ("Ownership Unbundling") bestehen wird. Sie wird auch eine deutlich abgeschwächte Entflechtung als Option zulassen.
Damit konnte Deutschland seine Position weitgehend durchsetzen. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten sich seit Monaten massiv gegen die Zerschlagung der Konzerne gewehrt und damit sogar bis in die Energiewirtschaft hinein für Unverständnis gesorgt. Denn selbst die betroffenen Unternehmen Eon und RWE hatten zwischenzeitlich angekündigt, Teile ihrer Gas- und Stromnetze eigenmächtig zu verkaufen. Ein Grund dafür sind die Renditen im Netzgeschäft, die deutlich gesunken sind, seit die Bundesnetzagentur die Durchleitungsentgelte überwacht. Entsprechend dem Willen der Bundesregierung erhalten die EU-Staaten nun große Freiheiten bei der Entscheidung über die künftigen Strukturen ihrer jeweiligen Energiewirtschaft.
So werden den Mitgliedstaaten drei Optionen eröffnet: Entweder sie zwingen die Energieversorger in ihrem Land zum Verkauf ihrer Netze, wie von der EU-Kommission zunächst gewünscht und in einzelnen Staaten wie etwa Großbritannien auch schon geschehen. Der Gründung staatlicher Infrastrukturgesellschaften steht damit seitens der EU nichts entgegen. Alternativ können die Regierungen die Konzerne verpflichten, ihre Strom- und Gasnetze einem komplett unabhängigen Treuhänder zu überantworten.
Aber die Regierungen können es den Konzernen auch ermöglichen, ihre Netze lediglich in eine Tochtergesellschaft auszulagern. Dieses Konzept hatte Deutschland favorisiert und am Ende gemeinsam mit Frankreich und einigen kleineren Staaten durchgesetzt. Allerdings muss nach dem Willen der EU bei diesem Modell sichergestellt sein, dass die Töchter tatsächlich ein Stück weit unabhängig von ihrem Mutterkonzern agieren. So dürfen im Aufsichtsrat der Netztochter höchstens die Hälfte der Mandate plus ein Mandat vom Mutterkonzern bestimmt werden. Die Mutter hat dann zwar noch immer die Mehrheit, doch zumindest wichtige Entscheidungen, die 75 Prozent der Stimmen benötigen, sind dann nicht mehr von ihr alleine zu treffen. Zudem dürfen Manager des Mutterkonzerns nicht mehr unmittelbar in die Tochtergesellschaft wechseln und umgekehrt. Die Mutter darf die Tochter aber noch in ihre Bilanz nehmen, und sie hat noch Einfluss auf die Investitionen.
Die EU-Kommission und ihre Verbündeten, darunter Großbritannien, Schweden, Dänemark, die Niederlande, Spanien und Portugal, hatten dieses Modell zunächst nur befristet zulassen wollen - nach der Entscheidung von Freitag aber wird es gleichberechtigt neben den anderen Modellen stehen.
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