EU erwägt CBD-Verbot: Cannabisbranche droht Dämpfer
Die EU-Kommision erwägt ein Verbot des rauschfreien Cannabis-Wirkstoffs Cannabidiol. Das könnte eine aufkeimende Branche zerstören.
Berlin taz | Cannabidiol hätte eigentlich das Zeug zum neuen Superfood. Dem auch als CBD bekannten, aus der weiblichen Hanf-Pflanze Cannabis sativa gewonnen Wirkstoff werden zahlreiche positive Eigenschaften zugeschrieben – ohne Rauschgefahr und Abhängigkeitsrisiko. Wissenschaftlich sind die bislang allerdings noch unzureichend belegt. Trotzdem gibt es bereits eine CBD-Produktpalette von Gummibärchen über Handcremes bis hin zu Adventskalendern. Auch CBD-Tiernahrung ist erhältlich.
Die EU-Kommission könnte der boomenden Branche jedoch bald ein jähes Ende setzen. CBD-Produkte sind bisher in einer rechtlichen Grauzone als Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel vertrieben worden. Seit Frühjahr 2019 läuft ein Neubewertungsverfahren, das zur vorläufigen Ansicht gelangt ist, dass CBD als Extrakt von Cannabis als Suchtstoff klassifiziert werden muss und damit nicht als Lebensmittel zugelassen werden kann. Eine abschließende Entscheidung soll Ende des Jahres fallen.
Die Einschätzung der Kommission steht dabei in krassem Gegensatz zur Einschätzung der WHO, die für CBD keinerlei Abhängigkeits-, Gefahren- oder Missbrauchspotenzial feststellt. Bis zum Entschluss der Kommission dürfen eigentlich keine CBD-Produkte in der EU vetrieben werden. Das bestätigt auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Tatsächlich hängt die Durchsetzung aber von den regionalen und lokalen Behörden ab, so dass ein Verbot in Deutschland bislang nur in einzelnen Städten Nordrhein-Westfalens durchgesetzt wird.
Ein Verbot von CBD-Produkten wäre nach Ansicht von Jürgen Neumeyer, Sprecher des Lobbyverbands Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW), „katastrophal“ für die deutsche und europäische Hanfwirtschaft. Eine Hochrechnung des Verbands geht für das Jahr 2020 davon aus, dass CBD-Shops immerhin einen Umsatz von mindestens 1,8 Milliarden Euro pro Jahr machen. Drogerien und Landwirtschaft sind dabei noch nicht berücksichtigt.
Bedrohung für eine florierende Branche
Der noch Anfang des 20. Jahrhunderts weit verbreitete Hanfanbau floriert seit einiger Zeit wieder. So hat sich die Anbaufläche allein in Deutschland nach Angaben des BcVW zwischen 2017 und 2019 von knapp 1.500 auf gut 3.000 Hektar verdoppelt. Das ist wegen der hierzulande strengen Bestimmungen aber noch wenig. Laut dem Lobbyverband European Industrial Hemp Association liegt die Anbaufläche EU-weit mittlerweile bei 50.000 Hektar – und ist doch weit abgeschlagen hinter den Weltmarktführern USA (gut 211.000 Hektar) und China (162.000 Hektar).
Diese Renaissance verdankt der Hanfanbau nicht nur dem CBD, sondern auch seinen ökologischen Eigenschaften. So sei Hanf schnellwüchsig, benötige in den meisten Fällen keine Pflanzenschutzmittel und lockere den Boden auf. „Gerade bei den heute vorhandenen engen Fruchtfolgen wäre Hanf eine wichtige Auflockerung, die zu einer größeren Biodiversität beitragen würde“, so Andreas Muskolus vom Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Berliner Humboldt-Universität. Eine Ausweitung des Nutzhanfanbaus hat sogar die brandenburgische Regierung in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt.
Auch in der Industrie gewinnt Hanf an Bedeutung. So wird die robuste Hanffaser in der Autoindustrie, etwa in Türen und in Armaturenbrettern, aber auch als umweltfreundliches Dämmmaterial verarbeitet. Das hänge auch mit einem wachsenden Interesse an nachhaltigen Verbundstoffen zusammen, heißt es aus dem Deutschen Institut für Textil- und Faserforschung.
Würde CBD zukünftig als Betäubungsmittel eingestuft werden, wäre der Konsum nur noch über ärztliche Verschreibung möglich. Eine Folge wären steigende Preise für die laut Hanfverband drei Millionen regelmäßigen Konsument*innen, aber auch steigende Einnahmen für die Pharmabranche.
Labor statt Natur
Kommt es zum Verbot, bestünde noch die Möglichkeit, eine Zulassung von Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmittel mit synthetischem CBD als sogenanntes novel food zu beantragen. Denn Grundlage der Einschätzung als Suchtstoff ist die Nennung von Cannabis und aller darauf basierenden Extrakte und Tinkturen im Einheitsübereinkommen der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961. Was als Naturprodukt verboten ist, wäre aus dem Labor theoretisch legal. Ein solches Zulassungsverfahren kostet allerdings 500.000 bis 1,5 Millionen Euro.
Wie umständlich die Rechtslage ist, zeigt ein heutiges Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Ein französisches Unternehmen, das E-Zigaretten mit tschechischem CBD-Öl vertreibt, hatte vor dem EuGH gegen die Verurteilung durch ein französisches Gericht geklagt, da in Frankreich nur Fasern und Samen gewerblich genutzt werden dürfen, das Öl aber aus der ganzen Hanfpflanze gewonnen wurde. Der EuGH entschied nun, dass ein EU-Mitgliedstaat den Vertrieb von aus einem anderen EU-Mitgliedstaat importiertem CBD nicht verbieten darf, solange es dort legal produziert worden ist.
Leser*innenkommentare
Gesunder Menschenverstand
Hallo Taz und CBD-Gläubige,
meine gestrige Kritik an der Taz-Darstellung (19.11.20) der WHO-Meinung zu CBD wolltet ihr nicht online stellen.
Jetzt versuche ich es noch einmal, danach werde ich mich bei der Chefredaktion beschweren.
Diesmal geht es mir um wichtige Informationen zu Nebenwirkungen von CBD, die in dem begeisterten CBD-Artikel von Maximilian Berkenheide überhaupt nicht zur Sprache kamen und – Stand 20.11.2020 – bei den ebenfalls begeisterten Foristen anscheinend völlig unbekannt sind.
Es gibt in Deutschland ein CBD-Präparat, es heißt Epidyolex und ist zur Behandlung von bestimmten Epilepsieformen zugelassen. Also die Pharmaindustrie ist bei dem Thema schon voll drin.
In der Fachinformation zum CBD-Präparat Epidyolex, die auf einem neueren Stand ist als der WHO-Report, der in dem Artikel nicht korrekt wiedergegeben wird, sind unschöne Nebenwirkungen für Patienten zu lesen: Schädigungen der Leber und Veränderungen des Blutbildes. Und aus Tierversuchen (Kaninchen) gab es u.a. Effekte auf das Ungeborene bei Behandlung des Muttertiers (verringertes Körpergewicht des Fetus). Und bei Ratten wurden eine verzögerte sexuelle Reifung, Verhaltensänderungen und kleine Hoden bei erwachsenen Nachkommen sowie unerwünschte Wirkungen auf die Fertilität beobachtet. Solche Effekte machen hellhörig, da sie darauf hindeuten, dass die Substanz ein endokriner Disruptor sein könnte. Wenn es um Industriechemikalien geht, die endokrin disruptive Eigenschaften haben, dann berichtet die TAZ gern ausführlich dazu. Hier handelt es sich um ein Präparat, das aus einer Pflanze gewonnen wurde und da wird diese Information der Leserschaft überhaupt gar nicht erst vorgelegt.
Abschließend der Hinweis: Auch CBD hat Nebenwirkungen! Sollte die Zurückhaltung der EU-Kommission bei dem Thema CBD Bestand haben, dann würde es daraufhin deuten, dass der Verbraucherschutz in der EU noch funktioniert.
Maximilian Berkenheide
taz-Mitarbeiter*in
@Gesunder Menschenverstand Bei Ihrem zweiten Punkt bin ich nur bedingt einverstanden mit den Vorwürfen.
Zum einen weise ich zu Beginn des Artikels darauf hin, dass die
Wirksamkeit von CBD wissenschaftlich bislang noch unzureichend belegt
ist. Im Übrigen waren die Dosen in den
Tierversuchen des betreffenden Medikamtens um das Vielfache höher als beim Menschen.
Von einschlägigen Medien wie der Deutschen Apotheker Zeitung wird
jedenfalls kein Wort über die von Ihnen angesprochenen Probleme verloren. Auch der Verein Dravet-Syndrom e.V. sieht das Medikament
positiv. Zwar wird hier auf die Problematik der Leberwerterhöhungen
Bezug genommen. Die seien allerdings nur dann problematisch, wenn
schwere Leberfunktionseinschränkungen vorlägen sowie ein weiteres
spezielles Medikament eingenommen werde. Tatsächlich wurde mir von dort bestätigt, dass Epidiolex wesentlich verträglicher sei, als vergleichbare Medikamente, die im Übrigen in der Regel hochgradig abhängig machen - im Gegensatz zu Epidiolex. Die Nebenwirkungen, insbesondere der Leberbelastung, seien zudem häufig darauf zurückzuführen, dass Epidiolex in der betreffenden Studie auf bereits eingenommene Antiepileptika genommen werden musste.
Von der Kinderepileptologie am
Universitätsklinikum Freiburg, in der zu diesen Medikamenten geforscht wird, wird die Verträglichkeit von CBD-Medikamenten im Übrigen ebenfalls als gut eingeschätzt.
Es ist gut, dass sie auf problematische Aspekte hinweisen; in diesem Fall müsste aber eher auf die besonders positiven Eigenschaften dieses
Medikaments hingewiesen werden.
Maximilian Berkenheide
taz-Mitarbeiter*in
@Gesunder Menschenverstand Zu 1. Ich habe mich vor allem auf
folgende Abschnitte des WHO-Berichts bezogen:
7. Dependence Potential B. Human Studies: "Controlled, human studies
regarding the potential physical dependence effects (e.g. withdrawal and
tolerance) of cannabidiol have not been reported." (S. 15)
sowie
8. Abuse Potential B. Human Studies: "While the number of studies is
limited, the evidence from well controlled human experimental research indicates that CBD is not associated with abuse potential." (S. 15)
und
13. Non-Medical Use, Abuse and Dependence: "At present, there are no
case reports of abuse or dependence relating to the use of pure CBD."
(S. 21)
Trotzdem hätte mir die von Ihnen erwähnte Passage nicht entgehen dürfen, da haben Sie völlig recht. Gleichwohl möchte ich aber darauf hinweisen, dass der EuGH am selben Tag in einem Urteil ebenfalls noch einmal die Schadlosigkeit von CBD bekräftigt hat:
"Nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, der
zu berücksichtigen ist, hat das in Rede stehende CBD, anders als
Tetrahydrocannabinol (gemeinhin als THC bezeichnet), ein weiteres
Cannabinoid des Hanfs, offenbar keine psychotropen Wirkungen oder
schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit."
(curia.europa.eu/jc...11/cp200141de.pdf)
Laughin Man
Da hat die Pharma Lobby mal wieder zu geschlagen.
Nicht dass das dem Hanf schon einmal passiert wäre.
Wir lernen halt nicht aus Fehlern.
Es ist echt traurig.
MahNaMahNa
"Was als Naturprodukt verboten ist, wäre aus dem Labor theoretisch legal. Ein solches Zulassungsverfahren kostet allerdings 500.000 bis 1,5 Millionen Euro."
Nennt mich neurotisch oder Verschwörungstheoretiker - die Lobby der Pharmaindustrie mag eben keine Naturprodukte. Die wollen das Geschäft einfach alleine haben.
Allein das "erwägen" ist eine Riesensauerei!
Jakob Cohen
Eine käufliche EU Kommision tut das was die Pharma verlangt. Denen gehen Milliarden Euro verloren, weil man nit CBD zbsp. eine Gastritis in den Griff bekommt. Im Gegensatz zu den Pharmaprodukten ohne schädlichen Nebenwirkungen.
Man treibt die Leute bewusst in die Illegalität weil Lobbyismus nicht strafbar ist. Es ist aber kein Lobbyismus sondern Korruption.
Ruhrpott-ler
Man kann nur hoffen dass irgendetwas Land dagegen Subsudiaritärsklage einlegt. Von D ist das leider nicht zu erwarten...
Wenn das Schule macht, könnten die theoretisch auch Holland und Tschechien "richtiges" Cannabis wieder verbieten.
50674 Koeln
wer CBD mag, kann auch legal Leonotis leonurus anbauen und verkonsumieren.
Gesunder Menschenverstand
Zitatanfang TAZ
Die Einschätzung der Kommission steht dabei in krassem Gegensatz zur Einschätzung der WHO, die für CBD keinerlei Abhängigkeits-, Gefahren- oder Missbrauchspotenzial feststellt.
Zitatende TAZ
Dank des Links, der erfreulicherweise gesetzt wurde, kann diese krasse Behauptung ja schnell überprüft werden.
Unter Punkt 5 Toxicology, für die Nichtbiowissenschaftler, unter Toxikologie geht es um das Gefahrenpotenzial. Dort steht:
Zitatanfang WHO:
The potential toxic effects of CBD have been extensively reviewed [52] with a recent update of the literature. [53] In general, CBD has been found to have relatively low toxicity, although not all potential effects have been explored.
Zitatende WHO.
Also die WHO schreibt, das CBD eine relativ geringe Toxizität hat und das nicht alle potenziellen Effekte untersucht wurden.
Das ist etwas ganz anderes als das Statement von Maximilian Berkenheide, der behauptet, die WHO hätte gesagt, es gäbe KEINERLEI Gefahrenpotenzial.
WHO sagt, es gibt unvollständige Daten und relativ geringe Toxizität und die TAZ macht daraus keinerlei Gefahrenpotenzial, das ist ist schlechter Journalismus.
4813 (Profil gelöscht)
Gast
Sorry, aber daraus kann jeder minderbegabte Chemielaborant THC machen.
Also, das würde ich auch verbieten.
de.wikipedia.org/wiki/Cannabidiol