EU-Verhandlungsführer in Durban: Ausgerechnet Polens Klimaskeptiker
Umweltminister Korolec will die Emissionsziele der EU lockern. Mit Polen verhandelt bei der Klimakonferenz in Durban der schlimmste Klimasünder der Gemeinschaft für Europa.
WARSCHAU taz | Es war kein guter Auftakt für Polen auf der UN-Klimakonferenz im südafrikanischen Durban: Im neuen Klimaschutzindex von Germanwatch landet der Verhandlungsführer der Europäischen Union als mit Abstand schlechtestes EU-Land auf dem 56. von 61 Plätzen - noch hinter den USA und Russland und nur knapp vor China.
Die Begründung der Umwelt- und Entwicklungsschützer: Die polnische Regierung habe während ihrer EU-Ratspräsidentschaft versucht, wichtige Klimafinanzierungen zu verhindern und blockiere zudem das europaweite Ziel, die CO2-Emissionen bis 2020 um 30 Prozent zu senken. Folgerichtig erhalte Polen die Bewertung "sehr schlecht", die überwiegende Mehrheit der übrigen EU-Länder bekam für ihre Emissionen und ihre Klimapolitik dagegen immerhin ein "gut" bis "mäßig".
Dass ausgerechner der ärgste Klimasünder in Durban die Gespräche für die EU führt, hängt mit dem wechselnden Ratsvorsitz in der Union zusammen. Das war schon im Vorfeld als Problem wahr genommen worden, auch wenn Warschau versuchte, das Image des Bremsklotzes loszuwerden und sich als innovatives EU-Mitglied zu präsentieren. Aber Umweltminister Marcin Korolec hatte schon vor seiner Abreise klar gemacht, dass sein Verhandlungsziel lediglich sei, möglichst viele Länder an einem künftigen Klimaschutzabkommen zu beteiligen.
Dem Konzept gegenüber, dass Europa zum Vorbild bei der Klimapolitik werden müsse, zeigte er sich skeptisch. So will Korolec in Durban die bisherige Zielmarke, den CO2-Austtoß um 20 Prozent zu reduzieren, beibehalten und nicht auf die ambitionierten 30 Prozent drängen, die unter anderem das EU-Parlament fordert.
Der innereuropäische Konflikt im Vorfeld der Weltklimakonferenz macht ein bisher unterschätztes Dilemma deutlich. Ohne Polen wird es keine kohärente europäische Klimapolitik geben. Zu diesem Schluss kam auch schon die Ende 2010 vorgelegte Klimastudie der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik zu Polen.
Abhängig von Kohle
So wehrt sich das Land seit Jahren und zum Teil sehr erfolgreich gegen die klimapolitischen Kosten, die eine Umstrukturierung der Energiewirtschaft mit sich bringen würden. Dies hat mit Polens Abhängigkeit von der Kohle zu tun, bezieht das Land doch seinen Strom zu 94 Prozent aus Kohlekraftwerken.
Zwar mussten Anfang der 1990er eine ganze Reihe "Dreckschleudern" schließen, weil sie unrentabel arbeiteten, so dass Polens CO2-Ausstoß beträchtlich sank. Doch mit dem anschließenden Wirtschaftswachstum stiegen die Emissionen erneut an. Inzwischen sind sie wieder auf dem Stand von 1990.
Um sich aus der Kohlefalle zu befreien, will Polen in den nächsten Jahren zwei Atomkraftwerke bauen. Bislang ist es das einzige große EU-Mitglied ohne Atomstrom, und weder die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima noch der geplante Ausstieg Deutschland aus der Kernenergie haben die angeblich "saubere Energie" hierzulande in Misskredit bringen können.
Der Gasverbrauch ist mit gerade mal zwölf Prozent des Endenergieverbrauchs einer der niedrigsten in der EU. Ob die riesigen Schiefergasvorkommen, die vor kurzem in Polen entdeckt wurden, daran in Zukunft etwas ändern werden, ist noch nicht klar. Sollte die - aus ökologischen Gründen höchst umstrittene - Förderung sich tatsächlich lohnen, könnte Polen auch zu einem neuen großen Gasexporteur aufsteigen. Erneuerbare Energien haben in Polen mit gerade mal fünf bis sieben Prozent des Endenergieverbrauchs kaum Bedeutung.
Plan und Wirklichkeit
Polen steht der Klimapolitik nicht dogmatisch ablehnend gegenüber, erwartet aber, dass diejenigen, die ambitionierte Klimaziele vorgeben, sich an den Kosten zu beteiligen. Mit anderen Worten: Die EU soll Polen die klimafreundliche Umstrukturierung des Energiemixes subventionieren. Dass die im Vergleich mit den "alten" EU-Ländern relativ armen Polen einen der höchsten Strompreise in der EU zahlen sollten, um ein Klimaziel zu erreichen, das nicht einmal die USA unterstützen, sieht in Polen kaum jemand ein.
Dennoch strebt das polnische Wirtschaftsministerium mit dem Programm "Energiestrategie bis 2030" einen einschneidenden Wandel an. So soll der Anteil des aus Kohle gewonnenen Stroms von 92 auf 54 Prozent sinken, derjenige der erneuerbaren Energien hingegen von drei auf 19 Prozent steigen.
Adam Grzeszak, der Klima- und Energieexperte des Nachrichtenmagazins Polityka, stellt allerdings in der jüngsten Nummer dem Ideal der Politiker die ernüchternde Praxis der Unternehmen gegenüber. So importiere Polen Palmöl aus Afrika, das billiger sei als europäisches Rapsöl, um mit Biodiesel "die Umwelt zu schonen".
Und Polen kaufe immer mehr Kokosschalen aus Afrika, um sie der Kohleverbrennung beizumengen und so die Auflage zu erfüllen, einen bestimmten Stromanteil aus Biomasse herzustellen. In Afrika werde also die Umwelt ruiniert, so Grzeszak, damit die Europäer mit klimapolitisch gutem Gewissen Auto fahren und Fernsehen gucken könnten.
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