EU-Verfassung: Polen hat kein Recht auf Veto
Für polnische Vetodrohungen fehlt die Rechtsgrundlage. Die einfache Mehrheit reicht für die Verabschiedung des Mandats der Regierungskonferenz.
Polen spielt derzeit die Vetodrohungen wie ein Pokerspieler seine Asse. Mehrmals in den vergangenen Tagen hat die Regierung in Warschau angedroht, beim Verfassungsgipfel in Brüssel ein Veto gegen die Beschlüsse einlegen zu wollen. Eines haben die Verantwortlichen in Polen dabei übersehen: Eine neue vertragliche Grundlage für eine EU-Verfassung kann nur eine Regierungskonferenz erarbeiten, und die wird Polen nicht verhindern können. Denn ein Recht auf ein Veto gibt es in diesem Fall nicht.
Regierungskonferenzen werden nach einer Stellungnahme des Rats einberufen. Die Grundlage dafür will die Noch-Ratspräsidentin Angela Merkel in den kommenden Tagen beim Gipfel erarbeiten - das hat sie in den letzten Tagen immer wieder beteuert. Nach wochenlangem intensivem Zuhören und Verhandeln hat die deutsche Ratspräsidentschaft am Dienstag den Verhandlungsführern der übrigen 26 Mitgliedsstaaten ein Papier vorgelegt, das den Stand der Verhandlungen zusammenfasst.
Dieses Papier könnte die Grundlage für das Mandat der Regierungskonferenz bilden. Darüber muss noch verhandelt werden, doch eine Mehrheit der Staaten reicht aus, das Paket an die Regierungskonferenz zu übergeben. Der Rat muss in diesem Fall nicht notgedrungen einstimmig entscheiden, auch wenn dies in den letzten Jahren immer der Fall war.
Franz Mayer, Verfassungsrechtler am Berliner Walter-Hallstein-Institut, sagte der taz: "Entscheidend ist Artikel 48 des EU-Vertrags. Die Einstimmigkeit wird hier nicht als Voraussetzung genannt. Laut Artikel 205 des EG-Vertrags gilt dann die einfache Mehrheit. Rein rechtlich gesehen fällt die Entscheidung erst am Ende der Regierungskonferenz." Das Veto, das Polen für sich beansprucht, hat rein rechtlich gesehen also keine bindende Wirkung. Mayer ergänzte jedoch: "Letzten Endes ist es eine politische Frage, ob die Entscheidung über das Mandat einstimmig getroffen wird oder nicht."
Genau diese politische Entscheidung forderte der Vorsitzende des Verfassungsausschusses im Europäischen Parlament, Jo Leinen: Die Regierungskonferenz müsste zur Not auch mit Mehrheitsbeschluss einberufen werden, so der SPD-Politiker. Er verteidigte den ursprünglichen Verfassungsvertrag und appellierte an die deutsche Ratspräsidentschaft, das Institutionenpaket nicht wieder aufzuschnüren. Merkel müsse sich dafür einsetzen, dass es in Europa endlich weitergehe: "Weder Polen noch ein anderes Mitgliedsland sollte die Möglichkeit erhalten, die Europäische Union zu blockieren", sagte Leinen.
Die Bundesregierung wollte sich zu den Forderungen nicht äußern. Einen Präzedenzfall gibt es allerdings: Bereits 1985 hat die italienische Ratspräsidentschaft gegen den Willen der Briten die Regierungskonferenz einberufen, die derzeit die Einheitliche Europäische Akte aushandeln sollte.
Heute ist der Binnenmarkt das liebste EU-Projekt der Briten. Leinen forderte deshalb: "Die deutsche Ratspräsidentin Angela Merkel sollte daher den gleichen Mut beweisen wie damals der italienische Ratspräsident."
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