EU-Regeln zur Abschiebung: Die Festung steht
Die "Rückführungsrichtlinie", auf die sich die Innen- und Justizminister der EU einigten, stellt zum ersten Mal einheitliche Kriterien für die Abschiebung illegaler Einwanderer auf.
Verpflichtung zur Ausweisung illegaler Migranten; Abschiebehaft bis zu 18 Monaten; nach der Abschiebung ein Wiedereinreiseverbot für die gesamte EU für bis zu fünf Jahren: das sind die Kernpunkte der neuen "Rückführungsrichtlinie", auf die sich die Innen- und Justizminister der EU am gestrigen Donnerstag in Luxemburg einigten. Die Richtlinie stellt zum ersten Mal einheitliche Kriterien für die Abschiebung illegaler Einwanderer auf. Der nach drei Jahren teils kontroverser Diskussion verabschiedete Entwurf muss nun noch vom Europaparlament gebilligt werden.
"Klare, transparente und faire Regeln müssen aufgestellt werden, um eine effektive Rückführungspolitik als notwendiges Element einer gut organisierten Migrationspolitik zu ermöglichen", heißt es in der Richtlinie, die der taz auf Englisch vorliegt. Sie verpflichtet die Regierungen zur Ausweisung aller Illegalen: "Mitgliedstaaten sollen jedem Bürger eines Drittlandes, der sich illegal auf ihrem Territorium aufhält, einen Rückkehrbescheid ausstellen."
Eine Frist zur freiwilligen Ausreise zwischen 7 und 30 Tagen ist möglich, kann aber bei Fluchtgefahr, bei Ablehnung eines "unbegründeten" Antrags auf Aufenthalt oder bei einem "Risiko für die öffentliche Sicherheit, öffentliche Ordnung oder nationale Sicherheit" auch wegfallen. Falls keine freiwillige Ausreise erfolgt, "sollen Mitgliedstaaten alle notwendigen Maßnahmen treffen, um den Rückkehrbescheid durchzusetzen". Die Ausweisung unbegleiteter Minderjähriger wird ausdrücklich nicht ausgeschlossen.
Nach einer Abschiebung gibt es ein Rückreiseverbot für die gesamte EU, das "im Prinzip nicht länger als fünf Jahre" gilt, außer bei "ernster Bedrohung der öffentlichen Politik, der öffentlichen Sicherheit oder nationalen Sicherheit". Einzelne Regierungen können dies wieder aufheben; ausdrücklich werden humanitäre Gründe oder Opfer des Menschenhandels genannt.
Gegen einen Ausweisungsbeschluss sind Rechtsmittel möglich, und der Text sieht auch anders als bisherige Entwürfe kostenlose Rechtsberatung dabei vor, was bedeutet, dass der Staat die Kosten tragen muss. Dieser Punkt hatte den Entwurf lange blockiert. Griechenland, Malta, Zypern sowie osteuropäische EU-Staaten wie Tschechien und Litauen - alles Staaten, in denen viele illegale Migranten eintreffen - hatten dies aus Kostengründen abgelehnt, während Flüchtlingslobbygruppen die ursprünglich vorgesehene Abschaffung von Rechtshilfe als menschenrechtswidrig ablehnten. Letztere haben sich durchgesetzt.
Abschiebehaft ist in der Richtlinie für bis zu sechs Monaten mit der Möglichkeit um eine Verlängerung um weitere 12 Monate möglich. Damit passt sich die EU der deutschen Rechtslage an und setzt erstmals Regeln für eine Reihe von Ländern, in denen es bisher keine Obergrenze für Abschiebehaft gab. Bei "außergewöhnlich hohen Zahlen" von Abzuschiebenden können diese Obergrenzen ausgesetzt werden.
Trotz vieler schöner Worte über die Behandlung von Abschiebehäftlingen bleibt vieles schwammig. So dürfen Häftlinge "auf Anfrage innerhalb angemessener Zeit Kontakt mit Rechtsbeiständen, Familienangehörigen und zuständigen Konsularbehörden herstellen". Was "Kontakt" und "innerhalb angemessener Zeit" (in due time) heißt, bleibt unklar.
Die Richtlinie soll innerhalb von drei Jahren nach ihrem Inkrafttreten in nationales Recht umgesetzt werden. Für Großbritannien und Irland gilt sie nicht, da diese Staaten nicht Teil des Schengen-Raums sind; Dänemark kann selbst entscheiden, ob es sie annimmt; und gültig ist sie auch in den Nicht-EU-Mitgliedsländern Island, Norwegen und der Schweiz.
Nach EU-Schätzungen leben in der EU bis zu acht Millionen illegale Einwanderer. In der ersten Hälfte 2007 wurden über 200.000 festgenommen und weniger als 90.000 von ihnen abgeschoben. Die Abschiebungen sind oft von dramatischen Szenen begleitet, und in mehreren Ländern, zuletzt besonders in Frankreich, laufen regelmäßig Protestaktionen gegen menschenunwürdige Zustände in der Abschiebehaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW