EU-Ratspräsident wird Gipfeltreffen-Chef: „Herman who?“

EU-Ratspräsident Van Rompuy soll künftig auch die Euro-Gipfel leiten und so die Euro-Wirtschaftsregierung voranbringen. Gegen Deutschland geht für ihn nichts.

Will weder bekannt noch populär sein, hat aber einen Sternenkranz: EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Von der Wirtschaftsregierung für den Euro wird viel geredet, aber ein Gesicht hatte sie bisher nicht. Das soll sich nun ändern: Herman Van Rompuy, der ständige EU-Ratsvorsitzende, wird bald auch die Gipfeltreffen der Eurozone leiten. So haben es Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy beschlossen, heute soll der EU-Gipfel in Brüssel die Beförderung abnicken.

Ob sich die Bürger mit dem neuen Europräsidenten anfreunden oder gar identifizieren werden, ist allerdings fraglich. Denn der 64-jährige Belgier ist der unauffälligste Politiker, den man sich denken kann. „Herman who?“ und „Mr. Nobody“ nennen sie den flämischen Christdemokraten in Brüssel. Außerhalb der EU-Szene kennt man ihn kaum.

Der Mann mit dem Charisma eines Sekretärs will allerdings auch gar nicht bekannt sein, schon gar nicht populär. Van Rompuy zieht es vor, die Brüsseler Kulissen zu schieben und die Dinge so lange zurechtzurücken, bis sie passen. Bisher mit einigem Erfolg: Seit Beginn der Schuldenkrise vor zwei Jahren hat er unermüdlich Sondergipfel einberufen, Tagesordnungen mit „Merkozy“ abgestimmt und versucht, eine Spaltung der EU zu verhindern.

Kurz gegen Merkel gestellt

Beim Krisengipfel im Dezember 2011 gelang ihm dies allerdings nicht mehr. Der deutsch-französische Vorstoß für eine Fiskalunion führte zum Bruch mit Großbritannien. Geschadet hat es Van Rompuy nicht. Er versuchte bis zuletzt, die Briten umzustimmen, stellte sich kurz sogar gegen Merkel. Doch am Ende schlug er sich wieder auf ihre Seite – wie bisher noch jedes Mal.

Gegen Deutschland, das weiß der feinsinnige Belgier, der in seiner Freizeit japanisch inspirierte Haiku-Gedichte schreibt, lässt sich in der EU nichts erreichen. Als Merkel ihm diese Woche bedeutete, dass sie im Moment keine weitere Diskussion über den Eurorettungsschirm wünsche, nahm er das Thema von der Tagesordnung und blies den schon einberufenen Euro-Sondergipfel kurzerhand ab.

Und so wird der Frühjahrsgipfel ohne neue Beschlüsse zur Eurorettung, ohne Krisengespräche und dramatische Nachtsitzungen zu Ende gehen – dank Van Rompuy. „Etwas weniger Drama kann nicht schaden“, freute sich Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Auch Merkel dürfte zufrieden sein, denn neuen Streit kann sie sich nach dem Verlust der Kanzlermehrheit im Bundestag beim zweiten Griechenland-Hilfspaket nicht leisten.

„Milde Rezession“

Doch die Probleme bleiben. Nicht nur in Griechenland geht die Krise weiter, auch Portugal und Spanien kämpfen mit immer höheren Defiziten. Zudem leidet nun auch die Realwirtschaft: Die EU-Kommission rechnet für dieses Jahr mit einer „milden Rezession“ in der Eurozone, die Arbeitslosigkeit erreichte im Januar mit 10,1 Prozent einen neuen Höchststand. Zwölf EU-Länder, angeführt vom britischen Premier David Cameron, fordern eine Abkehr vom Sparkurs und eine neue Wachstumsstrategie.

Van Rompuy muss versuchen, die widersprüchlichen Erwartungen zu vereinbaren. Wenn er heute wie geplant zum neuen Europräsidenten gekürt wird, könnte er noch vor Ende des Monats einen neuen Sondergipfel einberufen, um die diesmal vertagten Beschlüsse nachzuholen. Die Krise sei noch nicht zu Ende, warnte er gestern: „Wir sind nicht selbstgefällig, bleiben wachsam und sind bereit zum Handeln.“

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