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Tunesier bleiben auf dem Nachbarkontinent unerwünscht

Unter Ausschluss von Journalisten wird das Abkommen zwischen EU-Vertretern und Tunesiens Regierung im Präsidentenpalast gefeiert. Für Familien aus dem afrikanischen Staat bleiben selbst Urlaubsreisen nach Italien oder Frankreich weiterhin nahezu unmöglich

Aus Tunis Mirco Keilberth

Die beste Nachricht im Zusammenhang mit Migranten in Tunesien kam am Sonntag nicht aus dem Präsidentenpalast in Tunis, sondern aus der Sahara an der algerisch-tunesischen Grenze: Mindestens 80 Menschen, die von den tunesischen Behörden in der Hafenstadt Sfax dorthin deportiert worden waren, wurden am Sonntagabend gefunden und gerettet. Tunesische Freiwillige auf Motorrädern hatten sich auf eigene Faust in das menschenleere Gebiet begeben, um die ohne Wasser und Lebensmittel nach Süden wandernde Gruppe zu orten. Helfer des Roten Halbmonds brachten die Erschöpften aus diversen Ländern Subsahara-Afrikas schließlich in Krankenhäuser in der tunesischen Stadt Tataouine. Human Rights Watch hatte den tunesischen Sicherheitskräften zuvor vorgeworfen, Hunderte Menschen kollektiv an den Grenzen zu Libyen und Algerien ausgesetzt zu haben.

Unterdessen sprach während der Abschlusserklärung europäischer Vertreter in Tunis nur der Gastgeber, Tunesiens Präsident Kais Saied, das Schicksal der insgesamt rund 1.000 ausgesetzten Menschen an. Diese würden gut behandelt, alles andere sei Propaganda im Dienste der Schleppernetzwerke, die gegen­ sein Land ein Komplott gestartet hätten, so Saied in Anwesenheit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Regierungschefs Italiens und der Niederlande, Georgia Meloni und Mark Rutte. Anlässlich der Unterzeichnung des Migrationsabkommens gab es keine Pressekonferenz, internationale und tunesische Journalisten schauten den Ablauf aus einem Café in der Nähe des Präsidentenpalastes an. „Wer ist dieser Mann?“, fragte ein tunesischer Journalist des staatlichen TV-Senders Watania, als ein tunesischer Vertreter die Übereinkunft unterzeichnete. Schon vor der Zeremonie hatten tunesische Medienvertreter immer wieder bei italienischen Kollegen gefragt, wie der Besuch des „Team Europe“ in Tunis denn ablaufen würde. Doch selbst nach der Unterzeichnung drangen aus dem Präsidentenpalast kaum Informationen an die Öffentlichkeit. Einzige Botschaft der neuen Partnerschaft war die freundliche Stimmung.

Schon das Beantragen eines einfachen Touristenvisums zeigte den Tunesiern in den letzten Jahren, dass sie im Schengenraum unerwünscht sind. Neben unwirscher Behandlung während der an Privatfirmen ausgelagerten Prozedur erfüllten immer weniger Tunesier die finanziellen Bedingungen einer Reise nach Europa. Die Wirtschaftskrise und der Verfall der Währung machte vielen Familien den Traum von einem Urlaub in Frankreich oder Italien unerreichbar.

Den Traum von einem besseren Leben in Europa haben auch die weiterhin in Sfax und Zarzis lebenden Migranten. In Sfax übernachten derzeit Hunderte auf der Straße, Tunesier dürfen an Migranten ohne Aufenthaltstitel weder Wohnungen vermieten noch sie für sich arbeiten lassen. „Ich habe von dem Abkommen mit der EU gehört“, sagt Ali aus Khartum in Sudan. „Ich komme aus einem Kriegsgebiet und habe einen Ausweis des UNHCR, der mir Flüchtlingsschutz bieten sollte. Dennoch wurden viele meiner Freunde an die libysche Grenze deportiert.“

Ali hat wie alle anderen Mi­gran­ten, die am Montag auf das Abkommen mit der EU angesprochen werden, kaum Hoffnung auf eine Besserung seiner Lage. „Die Bevölkerung und Polizei will uns vertreiben; was in dem Vertrag steht, spielt doch keine Rolle“, sagt Mohamed Amin aus dem Sudan. Ihm fehlt das Geld, um nach Europa zu reisen oder in die Heimat zurückzukehren. „Wir sitzen in einer Falle“, sagt er.