EU-Krisentreffen zu Corona: Der Gipfel der Uneinigkeit
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen beim Krisengipfel über einen Wiederaufbau-Fonds beraten. Doch vieles ist ziemlich umstritten.
Optimistisch gibt sich aber EU-Ratspräsident Charles Michel in Brüssel. Er hat eine „Roadmap for Recovery“ vorgelegt, die den Weg aus der Krise weisen soll. Darin enthalten ist nicht nur ein gigantischer neuer Hilfsfonds, sondern auch die Forderung, Europa müsse „strategische Autonomie“ in wichtigen Branchen erlangen. Kritische Infrastruktur, vor allem im Gesundheitswesen, müsse gestärkt werden, fordert Michel. Doch wie das gelingen kann, ist ebenso unklar wie die Finanzierung des Wiederaufbaus nach dem Ende der Coronakrise. Bisher versucht jedes EU-Land in Eigenregie, die medizinische Versorgung zu sichern und die Wirtschaft zu retten.
Deutschland ist dabei besser aufgestellt als Italien, Spanien oder Frankreich. Die drei Krisenländer haben sich denn auch im Vorfeld des Videogipfels bemüht, solidarische Hilfe zu organisieren. Paris fordert einen Wiederaufbaufonds, Rom will Coronabonds, und Madrid hat beide Vorschläge in einem Plan zusammengefasst.
Der spanische Entwurf sieht ein 1,5 Billionen Euro schweres Notbudget vor, das sich auf den EU-Haushalt stützt. Die Finanzierung soll durch Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit gesichert werden – sogenannte Recovery Bonds. Die Schulden würden also nicht abgetragen, nur die Zinsen müssten bezahlt werden. Aus Sicht vieler Ökonomen ist dies bisher der beste Plan – denn er würde die hohe Schuldenlast etwa in Italien nicht erhöhen und reiche Länder wie Deutschland nicht in direkte Haftung nehmen. Zudem sieht er dauerhafte Transfers an die Krisenländer vor – und nicht nur Kredite, wie im Hilfsprogramm der Eurogruppe.
Widerstand der Nordeuropäer
Doch beim Krisengipfel hat er (noch) keine Chance. Denn die Nordeuropäer sträuben sich gegen direkte Transfers an den Süden. Sie lehnen bisher auch einen größeren EU-Haushalt ab. Auch die Osteuropäer stehen auf der Bremse – sie fürchten, „ihre“ Subventionen zu verlieren. Demgegenüber nimmt Deutschland eine vermittelnde Rolle ein.
Kanzlerin Angela Merkel hat sich für einen größeren EU-Haushalt ausgesprochen. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er in den ersten Jahren nach der Pandemie ganz andere finanzielle Möglichkeiten haben muss.“ Auch der Idee von Anleihen, die durch das Budget abgesichert werden, steht Merkel offen gegenüber. Allzu weit vorwagen dürfte sich die Kanzlerin am Donnerstag aber noch nicht.
Die Chefs wollten nichts überstürzen und zunächst die EU-Kommission beauftragen, einen Vorschlag auszuarbeiten, sagten EU-Diplomaten in Brüssel. Bis man sich einig werde, könne es noch einige Wochen dauern. Dazu sei „mindestens ein physisches Treffen nötig“, hieß es in Paris. Da das derzeit wegen Corona nicht möglich sei, hoffe man auf eine Einigung „um den Sommer herum“.
Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Entscheidung über Finanzhilfen erst unter deutschem EU-Vorsitz fällt, der am 1. Juli beginnt. Schon jetzt bereitet man sich in Berlin auf eine „Corona-Präsidentschaft“ vor. Sie könnte entscheidend werden, nicht nur für den Wiederaufbau, sondern für den Zusammenhalt der EU. „Deutschland kann es sich nicht leisten, dass andere Länder weniger gut durch die Krise kommen“, sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner. „Das wäre gefährlich – nicht nur für die EU, sondern auch für Deutschland.“ Merkel habe die „besondere Verantwortung“, die Jobs der nächsten zehn Jahre zu sichern und den sozialen und ökologischen Umbau einzuleiten.
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