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EU-KorruptionsskandalFederica Mogherini soll bei Auftragsvergabe betrogen haben

Gegen die Ex-Außenbeauftragte und Europakolleg-Chefin wird ermittelt. Derweil sichert sich EVP-Fraktionschef Weber jährliche Bezüge von 330.000 Euro.

Federica Mogherini soll Informationen weitergegeben haben, um sich einen EU-finanzierten Auftrag zu sichern Foto: Virginia Mayo/ap
Eric Bonse

Aus Brüssel

Eric Bonse

Drei Jahre nach „Katargate“, der Schmiergeldaffäre um die ehemalige Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili, wird die EU erneut von einem Korruptionsskandal erschüttert. Diesmal geht es um mögliche krumme Geschäfte bei der Vergabe von Aufträgen an das Europakolleg, eine EU-Kaderschmiede in Brügge. Als Hauptverdächtige gilt die frühere EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die das Kolleg seit 2020 leitet. Die belgische Justiz erhob gegen die 52-jährige Italienerin Anklage wegen Betrugs und Korruption.

Diesmal wurden keine Koffer voller Geld gefunden, wie im Fall Kaili 2022 – die Affäre ist bis heute nicht aufgeklärt. Im Zentrum des neuen Skandals steht stattdessen die öffentliche Auftragsvergabe. Nach Angaben der Europäischen Staatsanwaltschaft konzentrieren sich die Ermittlungen auf ein EU-finanziertes Ausbildungsprogramm für Nachwuchsdiplomaten. Mogherini soll Informationen weitergegeben haben, um sich den Auftrag zu sichern.

Bereits am Dienstag fanden Durchsuchungen im Europakolleg, beim Auswärtigen Dienst in Brüssel sowie in mehreren Wohnungen statt. Mogherini wurde festgenommen, ist aber mittlerweile wieder auf freiem Fuß, da keine Fluchtgefahr bestehe. Als möglicher Mittäter gilt der italienische EU-Diplomat Stefano Sannino. Er war von 2021 bis 2024 der ranghöchste EU-Beamte im Auswärtigen Dienst und ist derzeit Generaldirektor der EU-Kommission für den Nahen Osten, Nordafrika und die Golf-Region.

Die Kommission wollte sich zu den laufenden Ermittlungen nicht äußern. Dabei ist die Brüsseler Behörde gleich mehrfach betroffen. Neben Sannino war früher auch der Spanier Josep Borrell der deutschen Behördenchefin Ursula von der Leyen unterstellt. Borrell war Mogherinis Nachfolger im Amt des Außenbeauftragten. In seine Amtszeit fallen auch die mutmaßlichen Betrugsfälle.

Von der Leyen unter Druck

In Brüssel sorgt die Affäre für großen Wirbel. Dies sei der „größte Skandal“ seit dem Rücktritt der Santer-Kommission im Jahr 1999, schrieb das im Europaviertel viel gelesene Portal „Politico“. Er könne auch von der Leyen erfassen, mutmaßen Insider. Die deutsche CDU-Politikerin muss immer wieder mit Affären kämpfen. Zuletzt war ihr früherer Justizkommissar Didier Reynders angeklagt worden – wegen des Verdachts der Geldwäsche. Auch in diesem Fall will von der Leyen nichts gewusst haben.

Massiven Ärger gibt es auch im Europaparlament. Dort hat sich der Chef der größten Fraktion, der CSU-Politiker Manfred Weber, ein doppeltes Gehalt genehmigt. Neuerdings kassiert Weber, der auch die konservative Europäische Volkspartei (EVP) leitet, offenbar auch noch einen Zuschlag von 17 Prozent. Insgesamt würden sich seine Bezüge damit im Jahr auf 330.000 Euro addieren, berichtet das Internetportal „Euractiv“.

Im Parlament kommt dies nicht gut an. Zwar heißt es bei der EVP, Weber habe zwei Funktionen: als Parteichef und als Fraktionsvorsitzender. Deshalb stünden ihm auch zwei Gehälter zu. Der neue Zuschlag folge belgischem Recht, das eine automatische Anpassung der Löhne an die Inflation vorsieht. Allerdings hat die Regierung in Brüssel beschlossen, diese „Indexierung“ für Gehälter über 4.000 Euro auszusetzen – Weber liegt weit über der Schwelle.

Scharfe Kritik am mächtigsten Politiker des EU-Parlaments kommt von der Linken und den Grünen. „Der Mehrheit Sparsamkeit predigen, sich selbst aber großzügig zu bedienen, ist spätbayrische Dekadenz“, sagte der Co-Chef der Linksfraktion, Martin Schirdewan. „Während sich Millionen Europäerinnen und Europäer kaum noch eine warm beheizte Wohnung leisten können, gönnt sich der EVP-Vorsitzende ein automatisch indexiertes Weihnachtsgeschenk.“

Verärgert äußert sich auch der grüne EU-Abgeordnete Daniel Freund. Weber verdiene als Abgeordneter gutes Geld, sagte er. „Dass er sich jetzt als EVP-Chef noch ein Gehalt auszahlen lässt und seinen Jahresverdienst so mehr als verdoppelt, ist nicht vermittelbar.“ Dennoch dürfte Weber damit durchkommen. Denn bisher gibt es keine Klagen vor Gericht – und wie viel Gehalt die EVP ihrem Chef zahlt, können die Europaabgeordneten nicht mitentscheiden.

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