EU-Kommission in Brüssel: Mann für „europäischen Lebensstil“
Die Aufgabenbeschreibung für den Migrationskommissar aus Griechenland, Margaritis Schinas, stößt vor allem bei den Grünen auf Kritik.
Vor allem bei den Grünen schlagen die Wellen hoch. Bei einer Fraktionssitzung am Dienstagabend in Brüssel empörten sich mehrere Abgeordnete über das neue Ressort, das von der Leyen für den konservativen Griechen Schinas geschaffen hat. Es heißt „Protecting our European way of life“, was mit „Unseren europäischen Lebensstil schützen“ übersetzt wird.
Dahinter verbirgt sich die Abwehr von „irregulären“ Flüchtlingen, der Grenzschutz und die Anwerbung von Fachkräften aus Drittländern, wie von der Leyen erläuterte. Schinas werde für die „gesamte Handlungskette“ von der Erfassung bis hin zur Abschiebung („Rückführung“) verantwortlich sein.
Im EU-Parlament schlug das wie eine Bombe ein. Von der Leyens Wortwahl sei „beängstigend“, schrieb die grüne Co-Fraktionschefin Ska Keller. Sie hoffe, dass die neue EU-Chefin „keinen Widerspruch zwischen der Unterstützung für Flüchtlinge und europäischen Werten sieht“.
„Zutiefst beleidigend“
Auch der britische Labour-Europaabgeordnete Claude Moraes äußerte Kritik. Dass der Migrationsbereich den Obertitel „Unseren europäischen Lebensstil schützen“ habe, sei „zutiefst beleidigend“, sagte der aus einer indischen Familie stammende Brite der Zeitung Independent. Ganz ähnlich sehen das die deutschen Sozialdemokraten. Von der Leyen habe sich in der Wortwahl vergriffen.
Die deutsche Politikerin rechtfertigte sich, mit dem „European way of life“ seien die europäischen Werte gemeint – dazu zählten auch Weltoffenheit und Toleranz. Doch vor allem die deutschen EU-Abgeordneten fühlen sich an das „Heimatschutzministerium“ von Horst Seehofer (CSU) erinnert – und verweisen auf die Versuche, die EU-Migrationspolitik zu verschärfen.
Schinas muss sich auf Probleme im Europaparlament einrichten. Es wird die neuen Kommissare ab Ende September prüfen – und sicher auch bei dem einen oder anderen Kandidaten den Daumen senken. Der Grieche war schon im Frühjahr angeeckt. Pünktlich zur Europawahl erklärte er die Flüchtlingskrise für beendet. Das PR-Manöver ging nach hinten los – zuletzt hat sich die Krise um die Bootsflüchtlinge in der Ägäis wieder verschärft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana