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EU-Hilfe für die UkraineAbwehrsysteme dringend gesucht

Die Militärhilfen aus den USA stehen so gut wie fest. Auch die EU-Länder wollen der Ukraine mehr Waffen liefern. Einfach wird dieses Vorhaben nicht.

Heiß begehrt und dringend gesucht: Das Flugabwehrraketensystem Patriot Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Brüssel taz | Nach den USA wollen auch die Europäer ihre Waffenhilfe für die Ukraine aufstocken. Bei einem sogenannten Jumbo-Rat berieten die 27 EU-Außenminister am Montag in Luxemburg gemeinsam mit den Verteidigungsministern über mögliche Lieferungen. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach zu Beginn des Treffens von einem „wichtigen Moment“ für den Frieden in Europa.

Baerbock appellierte an die EU-Partner, weitere Patriot-Systeme zu liefern. „Jedes weitere Luftverteidigungssystem rettet Menschenleben in der Ukraine“, sagte sie. „Daher ist es so zentral, dass wir alle gemeinsam unsere Kräfte genau in diesem Bereich bündeln.“ Die Bundesregierung hatte schon Mitte April angekündigt, ein weiteres Patriot-System zu liefern.

Die meisten anderen Mitgliedsstaaten tun sich jedoch schwer. Die Bestände sind leergefegt, die begehrten Patriots werden zur eigenen Landesverteidigung gebraucht. So hat Polen der Lieferung weiterer Systeme an die Ukraine eine Absage erteilt. Sein Land habe derzeit keine Möglichkeit dafür, sagte Ministerpräsident Donald Tusk in Warschau. Man brauche die Waffen selbst.

Damit wächst der Druck auf Griechenland und Spanien. Im Gegensatz zu Polen liegen beide Länder weit entfernt vom Kriegsschauplatz in der Ukraine. Sie könnten ihre Patriot-Systeme entbehren, ohne die eigene Sicherheit zu gefährden, glauben EU-Diplomaten in Brüssel. Allerdings ist die Lieferung von Waffen eine nationale Entscheidung. Brüssel kann Athen und Madrid nicht dazu zwingen.

Mindestens 7 Abwehrsysteme werden gebraucht

Neben den US-Patriots käme auch das französisch-italienische Abwehrsystem Aster SAMP/T infrage. Doch auch Paris und Rom halten sich bedeckt. Ukraines Außenminister Dmytro Kuleba, der in Luxemburg zusammen mit Verteidigungsminister Rustem Umjerow per Video zugeschaltet war, beziffert den Bedarf auf mindestens sieben Systeme.

Ob diese Zahl erreicht wird, ist fraglich. Wahrscheinlich würden nur zwei oder drei Länder dem deutschen Beispiel folgen, hieß es in Luxemburg. Dass es Probleme gibt, hatte bereits Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg eingeräumt. Einige Alliierte müssten wohl auf Waffen zugreifen, die eigentlich für die Bündnisverteidigung reserviert sind, sagte Stoltenberg auf einer Krisensitzung am Freitag in Brüssel.

Angesichts der dramatischen Lage in der Ukraine sei dies ausnahmsweise hinzunehmen, so Stoltenberg. Allerdings müssten die Lager schnell wieder gefüllt werden. Dafür fehlen indes die industriellen Kapazitäten. Die EU musste bereits im Januar einräumen, dass es Engpässe bei der Produktion gibt. So werden die versprochenen eine Million Artilleriegeschosse erst mit mehreren Monaten Verspätung in der Ukraine eintreffen.

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7 Kommentare

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  • "Sie könnten ihre Patriot-Systeme entbehren, ohne die eigene Sicherheit zu gefährden, glauben EU-Diplomaten in Brüssel. Allerdings ist die Lieferung von Waffen eine nationale Entscheidung. Brüssel kann Athen und Madrid nicht dazu zwingen."

    Glauben und wissen sind ja zwei verschiedene Sachen. Ich würde es dann doch lieber Athen und Madrid überlassen zu entscheiden, was sie entbehren können oder nicht, und nicht irgendwelchen Leuten in Brüssel.

  • Spanien könnte in der tat abgeben wenn nötig. Griechenland braucht sein Patriot aber nicht gegen Russland, sondern um die Türkei von vorschnellen Aktionen abzuhalten. Die Türkische Luftwaffe hat in Syrien und Irak einiges an Erfahrung gesammelt, und keiner weiß was der Verrückte vom Bosporus, (Erdowowiewann) noch für Ideen bekommt, wenn seine Wahlergebnisse nicht mehr passen sollten.

    • @Berglandraupe:

      Die Türkei ist NATO-Mitglied. Griechenland ist die Ukraine auch sonst völlig egal, ich habe den Verdacht aus nicht ganz unähnlichen Gründen wie Spanien: Anti-Amerikanismus ist in der EU kaum irgendwo verbreiteter als - sicher unterschiedlich begründet - in diesen zwei Ländern, das ist nicht nur anekdotisch das zeigen auch im Langzeittrend Umfragen, und zwar lager- und gesellschaftsüberfreifend, da kommt insb. das häufig unverstandene Frankreich vorn und hinten nicht ran. Und so klar und selten unbestreitbar wie die USA und ihr treuer Kreis dort die Rolle der Guten spielen, das kann dort niemanden vom Hocker reissen. Doppelt tragisch, weil es sich nicht so sehr gegen die Ukrainer richtet, zumindest in Spanien, nachdem was ich mitkriege, die fiebern da keinesfalls mit Russland, übrigens auch und absolut nicht in Lateinamerika. Aber das ist die Strasse. Und es ist einfach nicht genug, um die Eliten zur Tat zu drängen. Aber dieses Problem hat man überall linksseits der Oder. Und wo ich dabei bin, es ist schon etwas schräg, aus deutscher Sicht hier die Finger auszufahren. Franzosen und Briten könnten bitte mal erinnern: Marschflugkörper werden übrigens auch gebraucht.

      • @Tanz in den Mai:

        Das die Türkei Nato mitglied ist ist für Griechenland eher ein risiko Factor, es sei an den Falklandkrieg errinert, bei dem Argentinien als Us verbündeter, GB angriff, und die Nato sich neutral verhielt. Wie ist es dann erst wenn ein Nato mitglied, ein anderes angreift?

        • @Berglandraupe:

          Die Nato würde keine Partei ergreifen.

        • @Berglandraupe:

          NATO Art 5 ist nicht beschränkt auf Angriffe von außen. Der Bündnisfall tritt auch ein, wenn ein NATO-Mitglied von einem anderen angegriffen wird.

          Wohl aber ist er geographisch beschränkt. Die Falklands liegen außerhalb auch des laut Art 6 erweiterten Geltungsbereichs.

          Der Nordatlantikvertrag ist übrigens sehr übersichtlich und leicht verständlich - sei zur Lektüre empfohlen.

      • @Tanz in den Mai:

        Anti-Amerikanismus ist der falsche Begriff. In beiden Ländern wird die Geopolitik der USA kritisch gesehen, aber nicht aus ideologischen Gründen. Man mag die Groß-Politik der USA positiv oder auch kritisch sehen - letzteres ist jedoch keine Antiamerikanismus.