EU-Grenzpolitik: Deutsche Polizei im Frontex-Einsatz
Die "Agentur zur Sicherung der europäischen Aussengrenzen" Frontex bekämpft Flüchtlinge. Deutsche Beamte sollen an menschenrechtsverletzenden Einsätzen beteiligt sein.
BERLIN taz | Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Flüchtlingsorgansiation Pro Asyl, und Tom Koenigs, grüner Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte, haben schwere Vorwürfe gegen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erhoben. "Die Bundesregierung leistet Beihilfe zum Bruch der Menschenrechte", sagte Burkhardt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. "Der Bundesinnenminister trägt dafür die politische Verantwortung."
Hintergrund der Vorwürfe ist die Teilnahme von Bundespolizisten an einem Einsatz der EU-Grenzschutzagentur Frontex in der griechisch-türkischen Grenzregion Evros. Griechenland hatte die EU im Oktober um die Entsendung von schnellen Eingreifteams der Frontex gebeten, weil es der großen Anzahl von Flüchtlingen, die über Griechenland in die EU einreisen, nicht gewachsen ist. Seit Anfang November sind auch deutsche Beamte in Evros.
Burkhardt und Koenigs haben in der vergangenen Woche die Region besucht. "Es ist zutiefst empörend, was dort geschieht", sagte Koenigs. Nachdem die Flüchtlinge von der griechischen Polizei oder von Frontex-Beamten aufgegriffen werden, würden sie in Aufnahmelagern inhaftiert. Dies gelte auch für unbegleitete Kinder und Jugendliche. "Die Lebensbedingungen dort sind menschenverachtend", sagte Burkhardt. Die Haftzellen seien überfüllt, Hofgang werde kaum gewährt, eine medizinische Versorgung gebe es nicht. Die Flüchtlinge würden weder über die Gründe ihrer Inhaftierung noch über ein mögliches Asylverfahren informiert. Weil Evros noch immer militärisches Sperrgebiet sei, gebe es auch keine Nichtregierungsorganisationen, die Hilfe leisten könnten.
"Ein moralisches Loch"
Weil Alter und Herkunftsland der Flüchtlinge innerhalb von wenigen Minuten von Frontex-Beamten und griechischen Polizisten erhoben würden, komme es zu "krassen Fehlentscheidungen" (Burkhardt). So habe er im Haftlager Tychero Afghanen getroffen, die als Iraner inhaftiert waren. Ihnen drohe die Abschiebung in die Türkei und von dort die Weiterabschiebung in den Iran, ohne dass ihr Schutzgesuch gehört werde.
Deutsche Polizisten würden in ein "völlig chaotisches System" eingebunden, das zu "eklatanten Menschenrechtsverletzungen" führe, kritisierte Burkhardt. Einer der bundesdeutschen Beamten vor Ort habe gesagt, bei diesem Einsatz falle man "in ein moralisches Loch". Asyl sei für die griechischen Beamten ein Fremdwort. Er habe Skrupel, Aufgegriffene den griechischen Behörden zu überstellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass