EU-Fanquoten: Mehr Kabeljau für den Markt
EU-Agrarminister wollen, dass Nordseefischer weniger Kabeljau als Abfall zurück ins Meer werfen. Dafür werden die Fangquoten für den Speisefisch um 30 Prozent erhöht.
STOCKHOLM taz Jeder zweite Fisch, der in den Netzen der EU-Fischer gefangen wird, landet nicht auf dem Teller, sondern wandert zurück ins Meer. Mal stimmt die Größe nicht. Mal ist die Sorte "falsch", weil die Fischer den Laderaum für edleren Fisch reserviert haben oder die von der EU vorgegebene Fangquote für die Art schon übererfüllt ist. Am Freitag versprachen die EU-Fischereiminister in Brüssel, etwas gegen diese Ressourcenverschwendung zu tun - wenn auch nur langsam.
Bis 2012 soll ein allgemeines Rückwurfverbot "geprüft" werden. Erzwungen hat dieses Umdenken Norwegen. Das Land ist zwar nicht Mitglied der EU, räumt deren Fischern aber alljährlich Fangrechte in seinen Gewässern ein. Und in Oslo hat man schon seit Jahren ein gesetzliches Verbot des Rückwurfs. Denn einmal an Bord geholt, sind die meisten Fische entweder sowieso bereits tot oder trotz Rückbeförderung ins Meer nicht mehr überlebensfähig.
Nachdem jahrelange Appelle, ein Verbot einzuführen, nichts bewirkt hatten, drohte die norwegische Fischereiministerin Helga Pedersen der EU: Entweder unternehme Brüssel endlich etwas gegen die "Verschwendung", oder Norwegen werde den EU-Fischern die Fangrechte entziehen. Zur Bekräftigung ließ Oslo auch die eigentlich schon für November geplante Unterzeichnung eines neuen Fischfangabkommens platzen. Die EU gibt sich nun offener.
Bereits ab dem 1. Januar 2009 wird das Highgrading verboten. Highgrading gilt als besonders problematisch: Fischer werfen kleine Exemplare von einmal gefangenen Fischen wieder über Bord, sobald sie größere der gleichen Sorte ins Netz bekommen. Die größeren Fische bringen mehr Geld. "Das ist eine perverse Praxis", sagt Rasmus Hansson, Chef vom WWF Norwegen: "Schließlich handelt es sich um Essen und nicht um Müll."
Das norwegische Modell, um den "Müll" zu vermeiden: Was ins Netz gelangt, muss auch an Land gebracht werden. Unbeabsichtigter Beifang ist in gewissen Mengen erlaubt, muss aber der Fangbehörde sofort gemeldet werden. Und führt dieser Beifang dazu, dass die Fangquoten überschritten werden, kann ein allgemeiner Fangstopp verhängt werden. Norwegen hat auch strenge Kontrollen eingeführt. Der Rückwurf hat damit zwar nicht vollständig aufgehört, ist nach Schätzung des Fischereiministeriums aber um 90 Prozent zurückgegangen.
MeeresbiologInnen halten den Beifang der EU-Fischer für einen der gewichtigsten Gründe, warum die Meere sehr geplündert sind. Er taucht in keiner EU-Quotenrechnung auf. Allein in der Nordsee sollen jedes Jahr mindestens eine Million Tonnen Fisch über Bord gehen.
In der Erwartung, dass sich diese Praxis nun ändern wird, erklärte sich Norwegen im Gegenzug zu einer Erhöhung der EU-Kabeljaufangquoten in der Nordsee um 30 Prozent bereit. Diese haben die EU-Agrarminister nun für 2009 auch so beschlossen. "Ein riskantes Spiel", findet die WWF-Fischexpertin Karoline Schacht: "Denn der Beifangaktionsplan ist noch nicht erprobt." Der Kabeljau habe sich zwar etwas erholt, doch der Bestand sei noch immer auf einem "historischen Tiefstand".
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