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EU-Einigung zu Gentechnik-LebensmittelnDeal auf Kosten der VerbraucherInnen

Kommentar von

Jost Maurin

Die Gentechnik-Reform der EU zwingt Konsumenten Nahrungsmittel auf, die sie nicht wollen. Saatgutkonzerne werden ihre Macht durch Patente erweitern.

Wer kann sich in Zukunft noch leisten, auf Genfood zu verzichten? Foto: Ipek Morel/imago

D ie Einigung der EU-Institutionen zu gentechnisch veränderten Pflanzen geht vor allem zulasten der VerbraucherInnen. Viele werden künftig Lebensmittel aus solchen Pflanzen essen, ohne dass sie davon erfahren. Denn der Deal aus Brüssel sieht vor, die Kennzeichnungspflicht für zahlreiche Gentechnik-Pflanzen in Nahrungsmitteln zu kippen.

Das ist auch aus sozialer Sicht ungerecht. Wer es sich leisten kann, hat noch die Möglichkeit, auf Bioprodukte auszuweichen, in denen Gentechniksorten verboten bleiben. Wer diese teureren Lebensmittel nicht bezahlen kann, hat kaum noch die Möglichkeit, sogenanntes Genfood zu vermeiden.

Umso zynischer ist, dass die Aufweichung der Gentechnikregeln maßgeblich von Konservativen und Liberalen betrieben worden ist. Also von jenen Kräften, die sich sonst gern für die „Freiheit“ und gegen angebliche staatliche Bevormundung einsetzen. Dieser Fall zeigt: Das tun sie nur, wenn es ihnen in ihrem Kampf gegen linke Regierungen oder zum Beispiel Umweltschutz nutzt.

Es gibt gute Argumente gegen die Agro-Gentechnik. Sie steht für eine Landwirtschaft, die die Natur rücksichtslos an sich anpasst statt sich selbst an die Natur anzupassen. Sie wird absehbar von großen Saatgutkonzernen wie Bayer/Monsanto beherrscht werden, die sowieso schon zu viel Macht über unsere Ernährung haben.

Deutschland sollte im Rat mit Nein stimmen

Durch Gentechnik können sie ihren Einfluss noch stärker vergrößern, weil Gentech-Pflanzen patentiert werden können. Dieses Saatgut dürfen Züchter nur mit Erlaubnis der Schutzrechteinhaber weiterentwickeln. Das hemmt den Züchtungsfortschritt. Am Ende werden Pflanzen nicht schneller, sondern langsamer an die Klimakrise angepasst. Es wird also das Gegenteil dessen eintreten, was die Gentechnik-Lobbyisten versprechen.

Zwar haben die EU-Unterhändler zum Beispiel einen Verhaltenskodex für die Patentinhaber angekündigt. Aber er wird wohl nur unverbindliche Bitten an Konzerne enthalten, Rücksicht auf kleinere Züchter zu nehmen. Das ist ein zahnloser Tiger.

Die verpflichtenden Regeln kann die EU gar nicht allein ändern. Sondern nur die knapp 40 Vertragsstaaten des maßgeblichen Europäischen Patentübereinkommens. Und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich dort die nötige Mehrheit findet, um zentrale Bestandteile des Patentrechts zu streichen.

Deshalb sollte klar sein: Deutschland muss bei der finalen Abstimmung im EU-Rat gegen diese Reform stimmen, die am Ende nur den Konzernen nützt.

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik und die Lebensmittelindustrie. Journalistenpreis "Faire Milch" 2024 des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. 2018, 2017 und 2014 gewann er den Preis "Grüne Reportage" des Verbands Deutscher Agrarjournalisten. 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2025 nominiert für den Deutschen Journalistenpreis, 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis (Essay "Mein Krieg mit der Waffe"), 2013 für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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