EU-Debatte um die Vergiftung Skripals: Bedingte Solidarität mit London
Die EU-Außenminister stellen sich hinter Großbritannien. Nur Athen mahnt zur Vorsicht. Eine Schuldzuweisung an Russland bleibt gänzlich aus.
„Die EU begrüßt die Bereitschaft Großbritanniens, eng mit der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) zusammenzuarbeiten“, heißt es in einer Minister-Erklärung. Russland wird gleichzeitig „dringend“ aufgefordert, die von der britischen Regierung aufgeworfenen Fragen zu klären und mit der OPCW zu kooperieren.
Die in Den Haag ansässige Organisation hatte im September vergangenen Jahres offiziell festgestellt, dass Russland seine Bestände an Giftgas vollständig vernichtet habe. OPCW-Generaldirektor Ahmet Üzümcü hatte Russland damals sogar öffentlich gratuliert. Doch das wird nun von der EU infrage gestellt.
Russland müsse gegenüber der OPCW sofort sein Programm des Nervengifts Novichok offenlegen, heißt es im Statement der Außenminister. Der russische Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter Yulia waren nach britischen Angaben mit Novichok angegriffen worden. Das Nervengift war in der früheren Sowjetunion entwickelt worden; Die Fabrik befand sich auf dem Gebiet des heutigen Usbekistan.
Experten sollen die Herkunft des Nervengifts klären
Nach dem Zerfall der Sowjetunion könnte der Kampfstoff auch in anderen Ex-Republiken wie Kasachstan gelandet sein. Die genaue Herkunft sollen nun Experten der OPCW klären, die am Montag in Großbritannien erwartet wurden. Nach Angaben des Außenministeriums in London dürften die Ergebnisse frühestens in zwei Wochen vorliegen.
Großbritannien, Deutschland und Frankreich haben sich dennoch bereits festgelegt. Alle Informationen deuteten darauf hin, „dass es keine alternative plausible Erklärung dafür gibt, dass hier auch eine Mitverantwortung der russischen Seite besteht“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) bei seinem ersten Besuch im neuen Amt in Brüssel.
Demgegenüber mahnte Griechenland zu Zurückhaltung. Außenminister Nikos Kotzias habe sich „für eine Abschwächung der Erklärung eingesetzt“, sagte ein Diplomat. „Die überwiegende Mehrheit hat sich einen schärferen Text vorstellen können.“ Letztlich habe sich Griechenland aber zu einer möglichen Verantwortlichkeit Russlands bekannt.
Die linksgeführte Regierung in Athen hat sich in der EU immer wieder auch für die Lockerung von Sanktionen gegen Moskau im Ukraine-Konflikt eingesetzt. Demgegenüber versucht die konservative Regierung in London, neue Strafmaßnahmen wegen des Giftangriffs auf den Weg zu bringen. Bei dem EU-Gipfel, der am Donnerstag in Brüssel beginnt, wird der Konflikt erneut zur Sprache kommen. Bis dahin dürfte der Druck auf Griechenland steigen, seine vorsichtige Haltung aufzugeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Studie zu Zweitem Weltkrieg
„Die Deutschen sind nackt und sie schreien“
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge