EU-Darlehen gegen Reformen: Drittes Griechenland-Hilfspaket?
Die EU überlegt, Griechenland bei Reformen 30 bis 50 Milliarden Euro anzubieten. Doch Varoufakis lehnt Kredite zu den alten Konditionen ab.
BERLIN/PAMPLONA rtr | In der Euro-Zone laufen der spanischen Regierung zufolge bereits Gespräche über ein drittes Hilfspaket für Griechenland. Dabei gehe es um eine Summe von 30 bis 50 Milliarden Euro, sagte Wirtschaftsminister Luis de Guindos am Montag in Pamplona. Zur Überwindung kurzfristiger Engpässe bot Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem der Regierung in Athen neue Hilfe schon im März an - wenn sie vereinbarte Reformen umsetzt. Allerdings lehnt Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis neue Darlehen zu den bisherigen Konditionen ab.
Die Euro-Zone hat das zweite Hilfsprogramm gerade erst bis Ende Juni verlängert. Nur wenn Griechenland bis dahin einen mit den Gläubigern abgestimmten Reformplan umsetzt, hat es Anspruch auf weiteres Geld. Insgesamt geht es um 7,2 Milliarden Euro. Was nach dem Ende des Rettungsprogramms passiert, steht bisher nicht fest. De Guindos sagte, ein drittes Programm könnte dem klammen Land flexiblere Konditionen bieten. Zur Solidarität seiner europäischen Partner gebe es derzeit keine Alternative.
Griechenland ist seit 2010 vom Kapitalmarkt angeschnitten und wird seitdem von seinen Euro-Partnern und vom IWF mit 240 Milliarden Euro vor der Pleite bewahrt. Varoufakis sagte dem Handelsblatt auf die Frage nach einem dritten Hilfspaket: „Wir wollen nicht mehr Geld.“
Das Land brauche eine von Investitionen getragene Erholung seiner Wirtschaft: „Die neue Vereinbarung, die wir bis Ende Juni aushandeln wollen, muss ein Wachstumspakt sein, der sich auf Investitionen des Privatsektors gründet.“ Regierungschef Alexis Tsipras hatte wiederholt gesagt, es werde kein drittes Hilfsprogramm geben, weil das griechische Volk die Programme abgewählt habe.
Griechenland geht das Geld aus
Dem steht aber gegenüber, dass der Regierung kurzfristig das Geld auszugehen droht. So hatte Varoufakis am Wochenende auch die Rückzahlung von Anleihen von 6,7 Milliarden Euro infrage gestellt. Diese werden von der EZB gehalten und im Sommer fällig. „Wenn wir das Geld hätten, würden wir bezahlen“, sagte er: „Sie wissen, dass wir es nicht haben.“ Insgesamt werden dieses Jahr Kredite von fast 17 Milliarden Euro fällig.
Dijsselbloem sagte der Financial Times: „Meine Botschaft an die Griechen lautet: Versucht das Programm zu starten, bevor die gesamten Verhandlungen beendet sind.“ Es gebe Elemente, mit denen bereits heute begonnen werden könne. „Wenn ihr das tut, dann könnte es irgendwann im März eine erste Überweisung geben. Das aber würde Fortschritt erfordern und nicht bloß Absichten.“ Um eine erste Teiltranche zu erhalten, müsste sich die Regierung wohl mit den Gläubigern auf vordringliche Reformen („prior actions“) einigen und diese auch umsetzen. Ob das schnell gelingen könnte, ist fraglich.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, auf der Basis der zugesagten Reformen biete sich die Möglichkeit, das Programm erfolgreich abzuschließen: „Auf dieser Grundlage wünsche ich mir für Griechenland eine gute Zukunft als Mitglied der Euro-Zone.“
„Nicht zu den alten Konditionen"
Varoufakis sagte dem Handelsblatt, er sei an den 7,2 Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfspaket nicht interessiert, „wenn der Preis dafür eine Fortsetzung des bisherigen Rezepts ist, das die Schulden- und Deflationsspirale erzeugt hat“. Neue Kredite zu alten Konditionen machten keinen Sinn, wenn man schon die alten nicht zurückzahlen könne. Zu kurzfristigen Engpässen sagte er: „Wir hoffen, dass wir in den nächsten zwei Wochen zu einer Lösung kommen, um diese Cashflow-Schwierigkeiten zu überwinden.“ Ohne einen neuen Wachstumspakt sei es aber nicht möglich, Zahlungen von fast 11,5 Milliarden Euro im Sommer zu leisten: „Das können wir unmöglich schaffen, wenn wir bis dahin nicht zu einer neuen Vereinbarung kommen.“
In griechischen Regierungskreisen hieß es, das Land habe alternative Möglichkeiten, seine Verpflichtungen im März zu erfüllen. Diesen Monat wird ein IWF-Kredit von 1,5 Milliarden Euro fällig. Varoufakis sagte, möglich sei, einen Teil der EZB-Gewinne von 1,9 Milliarden Euro aus griechischen Staatsanleihen zur Rückzahlung des IWF-Kredits zu verwenden. Sorgen vor einem Zahlungsausfall belasteten die Aktien-Börse in Athen. Der Leitindex ATG gab zeitweise um knapp drei Prozent nach.
Der Schuldenstreit entwickelt sich zunehmend zu einem diplomatischen Hickhack. Tsipras hatte den konservativen Regierungen in Spanien und Portugal vorgeworfen, an der Spitze einer Verschwörung zum Sturz seiner Linksregierung zu stehen - aus Angst vor Spargegnern im eigenen Land. „Nach europäischen Maßstäben war das ein sehr ungewöhnliches Foulspiel“, sagte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Jäger. Die EU-Kommission bestätigte, dass sich Madrid und Lissabon über Tsipras beschwert und eine Reaktion der EU gefordert hätten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht
Denkbar knappste Mehrheit
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“