EU-Abgeordneter Herbert Reul (CDU): Klimaskeptiker leitet Parlamentsausschuss
Der CDU-Politiker Herbert Reul ist neuer Chef des Industrieausschusses des EU-Parlaments – und zweifelt daran, dass der Mensch so viel zum Klimawandel beiträgt.
BERLIN taz | Er gilt als Freund einer industrie- und atomfreundlichen Energiepolitik. Er zweifelt daran, dass der Mensch wirklich so viel zur Erderwärmung beiträgt. Und er ist der neue Vorsitzende des Industrieausschusses des Europäischen Parlaments. Mit diesem einflussreichen Posten könnte Herbert Reul (CDU) in den kommenden Jahren zu einer der Schlüsselfiguren werden, wenn es in Europa um die Umsetzung weiterer Klimaschutzanstrengungen geht. An diesem Dienstag konstituiert sich der Industrieausschuss.
"Die wichtigen Zukunftsfragen wie etwa der Klimawandel sind nur zu lösen, wenn man die Industrie miteinbezieht", erklärt Reul seinen politischen Ansatz. Ein Entweder-oder solle es nicht geben. "Man muss immer abwägen, welche Maßnahmen wirklich wirken, wie weit man geht und wo man übertreibt", sagt er.
Bisher hat der CDU-Mann aus Nordrhein-Westfalen in solchen Debatten gerne die Oppositionsrolle eingenommen. Doch das will er ändern. "Die Rolle ist jetzt eine andere, und die will ich auch wahrnehmen. Bei unterschiedlichen Meinungen muss man einen Konsens hinkriegen. Dafür bin ich verantwortlich." Doch seine persönliche Meinung werde er dabei nicht abgeben: "Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe."
Interessant könnte das Zusammenspiel mit dem Umweltausschuss werden. Der wird fortan von Jo Leinen geführt. Der SPD-Politiker tritt mit dem Vorhaben an, hohe Standards im Klimaschutz durchzusetzen. Als entschiedener Gegner der Atomenergie sagt er: "Ich weiß, auf welcher Seite ich stehe, und freue mich auf die Debatten. Da wird es einige Sparringsrunden mit Herrn Reul geben, und ich habe da keine Scheu."
Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Rebecca Harms, hätte den Posten des Vorsitzenden lieber anders besetzt gesehen. Aber noch möchte sich die Europa-Abgeordnete optimistisch zeigen: "Es bleibt an dieser Stelle zu hoffen, dass die Rolle eine andere ist, die er von nun an spielt", sagt Harms. "Doch meine Erfahrungen mit ihm sind alle gleich: Immer wenn es darum ging, ehrgeizige Ziele für den Klimaschutz zu formulieren und die notwendigen Instrumente zu installieren, dann war Herr Reul einer der ganz großen Bremser."
In der Vergangenheit gab es zahlreiche Beispiele, bei denen Reul die Standpunkte der Energieindustrie vertrat, die die Umweltschützer erzürnt haben. In der Funktion des energiepolitischen Sprechers der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament sprach er sich Ende vergangenen Jahres - angeblich um die Verbraucher vor zu hohen Preisen zu schützen - gegen die vollständige Versteigerung der CO2-Emissions-Zertifikate aus. Ebenso sieht er in der Atomenergie die Möglichkeit, das Klima zu schützen und die Energieversorgung sicherzustellen.
Aber immerhin, auch bei Reul wird der Klimawandel auf der Agenda stehen, denn: "Die Politik hat entschieden, dass das eine wichtige Frage ist."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin