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EU-Abgeordnete richten Appell an BritenBitte bleibt!

Mehr als hundert EU-Parlamentarier bitten die Briten in einem Brief, in der Union zu bleiben. Brüssel bereitet sich offenbar auf eine Verschiebung des Austrittsdatums vor.

Im Herzen EU-Bürger? Einige Briten und EU-Parlamentarier wollen lieber keinen Brexit Foto: ap

Berlin/London dpa | In einem emotionalen Brief haben mehr als hundert Abgeordnete des EU-Parlaments die Briten gebeten, in der EU zu bleiben. „Wir bitten darum, im Interesse der nächsten Generation den Austritt zu überdenken“, heißt es im Entwurf des Schreibens, das Anfang der Woche in Großbritannien veröffentlicht werden soll.

„Jede britische Entscheidung, in der EU zu bleiben, würde von uns sehr begrüßt und wir würden mit Ihnen zusammenarbeiten, um die Europäische Union zu reformieren und zu verbessern“, zitierte die Funke Mediengruppe aus dem Schreiben. „Wir haben den enormen Einfluss der britischen Politiker und Bürger in den vergangenen 40 Jahren sehr geschätzt. Wir würden das außergewöhnliche Know-how unserer britischen Kollegen vermissen.“

Mitunterzeichner Peter Liese (CDU) sagte den Funke-Zeitungen: „Wir wollen ein Zeichen an die Bevölkerung und damit auch an das Unterhaus senden und klar machen: Wenn die Briten sich entscheiden zu bleiben, sind sie herzlich willkommen.“ Der Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen fügte hinzu: „Unsere Herzen und unsere Türen sind offen.“

Nachdem eine knappe Mehrheit der Briten beim Referendum 2016 für den Brexit stimmte, verlässt das Land die EU am 29. März. Allerdings ist das Land in dieser Frage tief zerstritten. Da der von Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelte Brexit-Vertrag bei der für Dienstagabend angesetzten Abstimmung im Parlament in London voraussichtlich keine Mehrheit bekommen wird, droht ein ungeregeltes Ausscheiden ohne Übergangsfristen. Die Forderung nach einem erneuten Referendum über die Frage, ob Großbritannien wirklich die EU verlassen soll, lehnt May ab.

„Technische“ Verlängerung bis Juli 2019?

Die EU bereitet sich indessen einem Medienbericht zufolge auf eine Verschiebung des Austritts Großbritanniens über das vorgesehene Datum 29. März hinaus vor. Der britische Guardian schrieb unter Berufung auf hohe EU-Beamte, Brüssel halte es für sehr unwahrscheinlich, dass die Frist eingehalten werden könne. Grund sei der starke heimische Widerstand gegen das Brexit-Abkommen, dem sich Premierministerin Theresa May gegenüber sehe.

Man erwarte, dass London in den kommenden Wochen eine Verlängerung der Austrittsfrist nach Artikel 50 der EU-Verträge beantragen werde, hieß es weiter. Eine „technische“ Verlängerung bis Juli wäre ein erster Schritt, um May Extrazeit zu geben, das jetzige Abkommen zu überarbeiten und bestätigen zu lassen. Sollte May politisch überleben und mitteilen, dass sie mehr Zeit brauche, werde ihr der Aufschub bis Juli angeboten, zitierte der Guardian einen EU-Beamten.

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6 Kommentare

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  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Vielen Dank für diese Initiative !



    Diese EU-Parlamentarier formulieren, was die grandiosen Versager in der britischen Politik nicht vermögen. Chauvinistisches Klein-Klein führt nicht weiter. Durch Postengeschacher, parteipolitische Taktiererei und dümmliche Rückbesinnung auf das ehemalige Empire, der Wunsch auf Inseldasein, verspielen sie Zukunft des Landes und Europas.



    Unter den mediokren Figuren, die sich Politiker nennen, sticht neben Cameron, May, und Figuren, die leider in jeder Gesellschaft unvermeidbar sind wie Farage, Johnson und Rees-Mogg einer besonders hervor: Der ewige Betonkopf Jeremy Corbyn, der in einer historischen Situation einfach nicht in der Lage ist, das Richtige zu tun: Mutig die Mehrheit im Lande anzuführen und das unerträgliche Chaos und den Wahnsinn des Brexit zu überwinden.



    Am unerträglichsten sind ja oft nicht die sich offen bekennenden Chauvinisten, sondern feige Zauderer und/oder diejenigen, die von vorgefaßten und sich als völlig verfehlt herausstellenden Überzeugungen nicht lassen können.



    Und wenn alles darüber zuschanden geht.

  • Bitte bleibt,... wir machen auch ganz viele neue Ausnahmen für euch!

    Gehts noch?

    • @danny schneider:

      Als da wären...?

  • Ein lang erhoffter Akt der Vernunft und der Solidarität. Es ist wohl angebracht, dass aus allen Mitgliedsländer, ähnliche Bekenntnisse der Solidarität für die nachfolgenden Generationen den Weg in die Öffentlichkeit finden.

    Eine gute Gelegenheit um im öffentlichen Debattenraum über einen grundsätzlichen Wandel zu einer chancengleichen Bildungspolitik der Europäischen Union für die gegenwärtige und die kommenden Generationen die Weichen zu stellen.

    • @Frank Mögling:

      Solidarität und so ist doch out... Außer bei der EU wie's scheint

  • Reisende soll man nicht aufhalten, sagt ein noch immer aktuelles Sprichwort. Würde mensch sich nämlich durch emotionale Briefe davon abhalten lassen, dem eigenen Entschluss folgend anderswo seine Erfahrungen zu machen, würde er/sie/es sich mit ziemlicher Sicherheit irgendwann rächen dafür. Spätestens, wenn feststeht, dass Bleiben (auch) mit unangenehmen Konsequenzen verbunden ist.

    Apropos unangenehme Konsequenzen: Den „enormen Einfluss“, den britische Politiker und Bürger in den vergangenen 40 Jahren auf die EU hatten, kann man durchaus kritisch sehen, finde ich. Und zwar an all den Stellen, an denen die Vertreter Großbritanniens die selben Weltmacht-Allüren gepflegt haben, die ihren Ahnen schon zu Zeiten der Dampfschifffahrt als legitim erschienen sind.

    Das „außergewöhnliche Know-how“ der Briten scheint aus Sicht mancher Leute nicht selten in dem Satz zu gipfeln: „The Kingdom first!“ Donald Trump ist offenbar nicht der Einzige (und schon gar nicht der Erste), der seinen Laden wieder „groß[artig]“ machen will. All zu viele nichtbritische EU-Mitglieder wollen meiner Ansicht nach vom Königreich noch immer siegen lernen. Vermutlich, weil manch einer gern - wenn schon nicht Königin, dann doch wenigstens - König wäre unter dem Demokratie-Deckmäntelchen.

    Übrigens: Mein Herz und meine Tür steht offen. Allerdings nur den Briten, die mich nicht dominieren wollen. Die übrigen können meinetwegen nicht nur von der EU lossagen, sondern von der gesamten Menschheit – und eine Kolonie auf dem Mars gründen. Der ist, soweit man derzeit weiß, wenigstens unbewohnt.