ESMA-Prozess in Argentinien: Haft für 48 ehemalige Militärs
Im größten Prozess der Landesgeschichte sind 48 Ex- Armeeangehörige verurteilt worden. Gerichtet wurde über Verbrechen der letzten Militärdiktatur.
![Zwei Männer sitzen auf der Anklagebank im Gerichtssaal Zwei Männer sitzen auf der Anklagebank im Gerichtssaal](https://taz.de/picture/2418550/14/19624423.jpeg)
Gerichtet wurde über die Entführung, Ermordung, Folter und das Verschwindenlassen von 789 Menschen. Die Verbrechen nahmen ihren Ausgang in der berüchtigten Marine-Mechanikerschule ESMA. Die ESMA war das größte geheime Haft- und Folterzentrum in Buenos Aires. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass dort mehr als 5000 Menschen gefoltert wurden und verschwanden, weniger als 300 von ihnen überlebten die Gefangenschaft.
In dem Verfahren ging es auch um die sogenannten Todesflüge, bei denen die Militärs Gefangene betäubt, in Flugzeuge verbracht und sie lebend in den Atlantik und den Río de la Plata warfen. Darunter waren auch die französischen Nonnen Alice Domon und Leonie Duquet sowie eine der Gründerinnen der Mütter der Plaza de Mayo, Azucena Villaflor de Vincenti.
Die drei Frauen waren im Dezember 1977 verschleppt und später aus einem Flugzeug vom Typ Skyvan PA-51 in den Atlantik geworfen worden. Ihre sterblichen Überreste wurden in namenlosen Gräbern entdeckt und 2005 identifiziert. Im gerichtsmedizinischen Bericht hieß es damals, die Art der Knochenbrüche lässt den Schluss zu, dass sie aus großer Höhe auf eine Wasseroberfläche aufgeschlagen sind.
Unter den am Mittwoch zu lebenslanger Haft Verurteilten sind zwei der damaligen Piloten, ein dritter Pilot wurde freigesprochen. Mit einer Dauer von fünf Jahren ist es der längste Strafrechtsprozess des Landes. Während der Zeit waren elf der anfänglich 68 Angeklagten gestorben. Drei Angeklagte wurden aus gesundheitlichen Gründen von dem Prozess abgetrennt. Von den wenigen Zivilisten unter den Angeklagten wurde der damalige Finanzminister der Diktatur, Juan Alemann, freigesprochen.
![Ausgedruckte Portraits hängen an einem Zaun. Ausgedruckte Portraits hängen an einem Zaun.](https://taz.de/picture/2418550/14/19625465.jpeg)
Vor dem Gerichtsgebäude hatten rund tausend Menschen die Urteilsverkündung via Videoübertragung verfolgt. Der Vorsitzende Richter Daniel Obligado brauchte mehrere Stunden für die Verlesung aller Urteile. Pfiffe gab es bei den Freisprüchen, Jubel für die Haftstrafen. „Wir sind mit den Urteilen zufrieden,“ sagte Almeida von den Müttern der Plaza de Mayo. Ebenso die ESMA-Überlebende Miriam Lewin: „Das ist viel mehr als wir erhofft hatten.“
Die Urteile waren von den Menschenrechtsgruppen und Organisation der ehemaligen Gefangenen mit großer Spannung erwartet worden. Befürchtet wurden milde Urteile, da sich der politische Wille, die Diktaturverbrechen juristisch aufzuarbeiten, seit dem Amtsantritt des konservativen Präsidenten Mauricio Macri deutlich geschmälert hat.
Es war das dritte Verfahren, das sich mit den Menschenrechtsverbrechen in der ESMA beschäftigt. Das erste musste 2007 eingestellt werden, da sich der einzige Angeklagte einer Verurteilung mutmaßlich durch Selbsttötung entzog. Das zweite Verfahren endete im Oktober 2011 mit 16 Verurteilungen.
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