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ESC-Kolumne #Queerjungfrauen VIIDänischer Aufsteiger des Jahres

Selbstbewusst und königstreu: Mit Anis Basim Moujahid hat ESC-Gastgeber Dänemark mal einen Kandidaten ohne Blondwurzeln bis in die Steinzeit.

Bei rechten Dänen unten durch: Anis Basim Moujahid. Bild: dpa

A ls er vor sechs Jahren an der Castingshow „X-Factor“ teilnahm, kam er nicht ins Finale – und das war zu wenig für einen, der im Sinne des väterlichen Auftrags am liebsten immer die Nase vorn hat. Außerdem war damals noch in seinem Land eine Atmosphäre, die man als fremdenfeindlich bezeichnen kann: Dänemark war über viele Jahre wirklich kein gutes Pflaster für Menschen, die einwanderten.

Anis Basim Moujahid, Jahrgang 1992, nahm die Kränkung sehr persönlich, auch künstlerisch nicht für voll genommen zu werden. Feilte an seinen Entertainmentqualitäten, schrieb Lieder, ließ nicht locker – und nahm schließlich am 8. März, vor gut zwei Monaten, am dänischen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest teil.

Dänemark hat öfter schon Menschen mit nicht weizenblondem Teint Chancen im Showbusiness gegeben, Debbie Cameron etwa, Tochter der Jazzsängerin Etta Cameron; auch Dario Campoetto, aber das war ein besseren, sozialdemokratischen Tagen (der sechziger bis achtziger Jahre) im gemütlichen Land oberhalb des Ostseebelts.

Inzwischen muckt vernehmlich eine rechtspopulistische Formation auf, ja, sie sitzt in allen Räten und Gemeindeparlamenten – die Dansk Folkparti, die unter anderem für etliche Restriktionen gegen Einwanderer (Zuzugsbeschränkungen für Importbräute) verantwortlich war.

Der Sommerhit des Jahres 2014

Basim, so sein Künstlername, kümmerte das nicht. „Ich musste mich auf meinen Beruf konzentrieren“, sagt er, „und der sollte bedeuten, auf der Bühne stehen zu können“. Den Vorentscheid gewann dieser Däne mit Höchstwertungen: Dänemark hat ein neues Chartwunder hevorgebracht – „Cliché Love Song“ heißt sein Lied, und nicht wenige sagen, mit dieser motown- und phillysoundorientierten Nummer sei jetzt schon der Sommerhit des Jahres 2014 auf dem Markt.

Allerdings machte Basim beim Siegesvortrag, jedenfalls aus der Perspektive von Rechtspopulisten, die Dänisches sich nur blond und christlich vorstellen wollen, einen schweren Fehler: dass im Bühnenhintergrund sich eine dänische Flagge, der Danebrog, entfaltet. Prompt hieß es in wütenden Mails und Briefen an Danmarks Radio, er dürfe ja den Melodi Grand Prix (der Vorentscheidung) gewinnen, aber sich doch bitte nicht mit der stolzen dänischen Flagge schmücken.

Basim lebe zwar in Dänemark, ein Däne sei er keineswegs. Sie hätten wohl am liebsten hinzugefügt: Und weil er so aussieht, wie der Sohn von Einwanderern aus Marokko nun mal aussieht, könne er das wohl auch nie werden.

„Ich bin aus keinem Land eingewandert“

In der Geschichte des ESC hat es immer wieder Aufsteiger migrantischer Potenziale gegeben, Charterfolgreiche, aber so souverän wie Basim hat noch nie einer auf die ethnisch-völkischen Aspirationen reagiert: Er sei keineswegs Marokkaner, sondern Däne. Er spreche dänisch wie alle – und nach Auskunft von Sprachwissenschaftlern hätte er auch noch frech ergänzen könnten: sogar besser als die meisten Dänen mit Blondwurzeln bis in die Steinzeit.

Einem Interviewer der ja keineswegs reaktionären gesinnten Zeitung Information sagte er fast kalt: „Ich bin kein Immigrant. Ich bin aus keinem Land eingewandert.“ Aufgewachsen in einem Ort vor Kopenhagen, durchaus in einer Siedlung, in die zu ziehen eingewanderte Migranten in den achtziger Jahren günstig war, wurde ihm vom Vater, von der Mutter gelehrt, auf jeden Erfolg im Instantmilieu (Kleinkriminalität, Drogen etc.) zu verzichten und lieber in der Schule gut zu sein. So geschah's, der elterliche Rat wurde offenbar befolgt.

Beim Empfang des deutschen Botschafters für die Musikerinnen von „Elaiza“, zu dem auch Basim geladen war, sah man die Qualitäten dieses Mannes mit der ausgesprochen sympathischen, nicht auf Aggromaschen wie Sido oder Bushido setzenden Art. Basim sang sein „Cliché Love Song“ unplugged – und bekam im Euro-Club auch vom deutschen Botschafter wie von den Frauen von Elaiza mehr als nur angemessenen Beifall. So sieht es aus, wenn ein starkes Nachwuchstalent den „Stairway To Heaven“ geht.

Am Samstag beim Grand Final startet er als 23. des Abends. Vor 13 Jahren nahm, nach dem ESC-Sieg der dänischen Olsen Brothers, in Kopenhagen die ortsverwurzelte Band Rolle & King teil, blond beide, der eine hell, der andere dunkler vom Schopfe her. Sie wurden Zweite. Ein Basim wäre in jenem Jahr wahrscheinlich nicht möglich gewesen – heute muss ein Däne offenbar nicht mehr klassisch wikingerhaft aussehen, um Anspruch auf Geltung anzumelden. Eine seiner Idole ist die durchaus antirassistisch gesinnte Königin Margrethe. Basim sagt: „Für mich ist sie eine Ikone.“

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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