Zweitliga-Niveau statt Champions League: Wer guten Fußball gewöhnt ist, hat es beim Tippspiel schwer. Auch darum wird England nicht Europameister.
Zu wenig Diversity beim Tippen auf Kicken ist ein Nachteil
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Es ist ein peinlicher Anblick. Ich stehe auf Platz 40. So schlecht war ich noch nie. Diese Europameisterschaft ist für mich komplett vergeigt. Nur zwölf Leute liegen im taz-Tippspiel hinter mir, und es tröstet mich nicht, dass Teamchef Rüttenauer noch schlechter tippt als ich; er liegt auf Platz 48. Der Führende, immerhin ein Mitarbeiter des Sportressorts dieser Zeitung, hat 20 Punkte mehr als ich auf seinem Konto. Das macht mich ein wenig neidisch, und ich überlege, ob ich ihn im Dienstplan noch weiter berücksichtigen soll.
Sonst lag ich immer im vorderen Drittel bei diesen Tipprunden. Was mache ich diesmal falsch? Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich viel zu lange an alten Gewissheiten festgehalten. Womöglich ist das eine frühe Form des Altersstarrsinns. Oder ein Anfall von berufsbedingter Besserwisserei: Ich als Sportredakteur müsste die Leistungen der Teams doch besser einschätzen können als jemand aus der Buchhaltung oder der Fotoredaktion. Was für ein Irrtum! Welche Hybris!
An solche Sachen habe ich mich wohl zu lange geklammert, vermute ich nach quälenden Stunden der Introspektion: Die europäischen Dickschiffe sind immer stärker und seetüchtiger als die Nussschalen, die auf dem rauen Ozean eines solchen Turniers ganz schnell ein Opfer der Wellen und des Sturms werden. Die Islandisierung und Magyarisierung dieser Europameisterschaft habe ich lange nicht wahrhaben wollen.
Ich glaubte noch an die alten Turniergewissheiten, als die Beweise des Gegenteils jedem Desinteressierten ins Auge gesprungen sind. Ja, ich glaubte an hohe Siege von Favoriten gegen (vermeintliche) Underdogs. Ich glaubte an die Österreicher, weil ich ihren sehr guten Ergebnissen in der Qualifikationsrunde traute. Ich glaubte an die Macht der erfahrenen Spieler, die in der Premier League oder Serie A spielen und das Ding schon schupfen werden (was sie ja teilweise auch taten). Ich glaubte an die magischen Momente der Stars.
Was für ein Irrtum!
Unterm Strich lag ich immer falsch, weil ich die Flexibilisierung des EU-Fußballbinnenmarkts total unterschätzt habe. Da hat sich etwas auf nationaler Ebene getan, und ich habe es nicht mitbekommen, weil ich immer nur ins Hochglanzschaufenster der Champions League schaue. Das war ignorant und unverzeihlich. Ich bin guten Fußball gewöhnt und muss nun bei dieser Europameisterschaft mit Zweitligafußball (mit einem gewissen taktischen Anspruch) zurechtkommen. So was tippt sich halt verdammt beschissen!
Um ehrlich zu sein: Das Tippspiel hat meine Defizite brutal offengelegt. An der Börse würde man sagen: Ich habe gutes Geld dem schlechten hinterher geworfen; ich habe genussvoll in ein fallendes Messer gegriffen. Ich glaubte an den Sieg der eigenen Gedanken über das Faktische. Das sollte man generell nie tun. Diese Europameisterschaft hat mich gelehrt, wieder demütiger zu sein, öfter mal nach Reykjavík zu schauen oder nach Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch in Wales oder Budapest – und auch einfach mal mit dem Fußballschwarm zu schwimmen.
EMtaz: Und raus bist du!
Die Ästhetik des Scheiterns: Antoine Griezmann nach dem Finale. Was für ein grandioses Turnier für Frankreich.
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Raus im Halbfinale. Der Weltmeister auf dem Niveau von Wales. Aber: Vorher gegen Italien gewonnen, starkes Achtelfinale gegen die Slowakei. Gruppenphase ganz okay. Gutes Turnier, trotz alledem.
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Wir zitieren an dieser Stelle aus Gründen einfach mal den Fan-Chant der Waliser: "Don't take me home, please don't take me home. I just don't wanna go to work, I wanna stay here and drink all ya beer! Please don't, please don't take me home!" Schön, dass ihr da wart und so lange geblieben seid. Danke.
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Raus mit ganz viel Applaus und einem letzten UH! Kolbeinn Sigthorsson und Island sind nach Wales das größte Überraschungsteam dieser Euro. Nach dem 2:5 im Viertelfinale gegen Gastgeber Frankreich geht's zurück auf die Insel.
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Flogen nach endlosem Elfmeterschießen gegen Deutschland im Viertelfinale raus: die Italiener. Als Gianluigi Buffons Tränen nach dem verwandelten Elfer von Jonas Hector auf der Videowand im Stadion gezeigt wurden, gab es Szenenapplaus. Schnüff.
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Im Viertelfinale gegen Wales traf Belgiens Radja Nainggolan zum 0:1. Reicht sicher, dachten sich die Belgier daraufhin und hauten die Handbremse rein. Das ging gehörig schief, Wales' Kicker Williams, Robson-Kanu und Vokes drehten den Spieß um, 3:1 für die Dragons! Nainggolan und Co. packten die Koffer.
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Endstation im Elfmeterschießen: Was bei den Polen im Achtelfinale noch gut klappte, wurde ihnen im Viertelfinale zum Verhängnis. Mit 3:5 unterlag die Mannschaft von Trainer Adam Nawalka Portugal. Die Tore in der regulären Spielzeit hatten Lewandowski und Sanches erzielt. Vom Punkt verfehlte nur Jakub Blaszczykowski (2. v.r.).
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Hat Spaniens Trainer Vicente del Bosque den Achtelfinalgegner Italien unterschätzt? Mit 0:2 schied Spanien aus, wenig souverän wirkte der Titelverteidiger dabei. Sechs Punkte in Gruppe D, die Schwächen des Teams waren schon bei der Gruppenniederlage gegen Kroatien sichtbar.
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Wieder nur das Achtelfinale erreicht: Mit 1:2 nach 1:0-Führung schied England aus – gegen Island. Vor dem Turnier hochgelobt, erwies sich England in der Vorrunde in Gruppe B als spielstarkes Team, das aber aus vielen Torchancen zu wenig zu machen wusste.
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Applaus trotz Aus: Ungarn hatte beim 0:4 im Achtelfinale gegen Belgien keine Chance. Trotzdem war das Turnier für die Mannschaft ein großer Erfolg. In ihrer Gruppe ließen sie Portugal, Österreich und Island hinter sich. Besonders beim 3:3 gegen Portugal hat das Team um Coach Bernd Storck alle Fans mitgerissen.
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Mit Kind und Kegel heim fuhr die Slowakei nach dem 0:3 im Achtelfinale gegen Deutschland. Die Löw-Elf hatte das Team um Marek Hamsik im Griff, da half auch der furchteinflößende Blick von Kapitän Martin Skrtel nix. Zuvor ein starker Auftritt in Gruppe B, Sieg gegen Russland, vier Punkte, Platz 3.
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Bittere Tränen weinte Irlands Torwartkoloss Darren Randolph nach dem verlorenen Achtelfinale gegen Frankreich. Dabei hat sich sein Team nix vorzuwerfen: Kämpferisch in allen Spielen top, fehlte dem Tabellendritten der Gruppe E letztlich einfach die spielerische Qualität. Die lautstarken und fairen irischen Fans werden dem Turnier fehlen.
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Unsanft gelandet ist Kroatien im Achtelfinale gegen Portugal. Gegen Spanien überzeugten die Kroaten noch spielerisch, galten als Erster der Gruppe D als Titel-Mitfavorit und dann das: Gegen die Defensivtaktik von Fernando Santos fanden sie kein Mittel, der Trainer stellte sein Team falsch auf, ein und um. Kroatien blieb ein Versprechen.
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Schluss im Achtelfinale war auch für Nordirland. Dabei zeigte der Underdog im Inselduell gegen Wales, dass er auch offensiv spielen kann – nur ein Eigentor verhinderte ein noch größeres Wunder. Größtes Verdienst: die inoffizielle EM-Hymne "Will Grigg's on fire". In Gruppe C mit 2:2 Toren und drei Punkten als Tabellendritter weitergekommen.
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Upsi – das Achtelfinal-Aus der Schweiz war ein Unglückliches. Granit Xhaka verschoss seinen Elfmeter gegen Polen. Dabei war das Spiel gegen Polen das ansehnlichste Schweiz-Spiel. Shakiris Fallrückzieher aus 16 Metern ist das bislang schönste Tor des Turniers. Zuvor 2:1 Tore, fünf Punkte, Zweiter in Gruppe A.
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Aus dem Fernsehen erfahren, dass man raus ist: Albanien. Gruppe A, 1:3 Tore, drei Punkte. Der Eindruck täuscht ein wenig. Für Albanien war bereits die Qualifikation ein Erfolg, der Sieg gegen Rumänien die Kirsche auf der Torte. Ganz fürs Achtelfinale gereicht hat es nicht. Dafür hätte etwas mehr kommen müssen als ein Tor.
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Türkei, Gruppe D: 2:4 Tore, drei Punkte. Wie Albanien schaffte es auch die Türkei nicht unter die vier besten Gruppendritten. Trainer Fatih Terim war frustriert. Dabei hat er seine Spieler häufig auf den falschen Positionen aufgestellt. Nur gegen Tschechien konnte die Türkei durchgehend überzeugen. Zu wenig.
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Österreich, Gruppe F: 1:4 Tore, ein Punkt. Die erweiterte Bundesligaauswahl versteckte sich besonders im Angriff zu oft. Torwart Robert Almer war der Held gegen Portugal, Tore schießen konnte er allerdings auch nicht. Österreich blieb eine einzige Enttäuschung.
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Schweden, Gruppe E: 1:3 Tore, ein Punkt. Die Nationalmannschaftskarriere des großen Zlatan Ibrahimovic hat kein Happy End. Zu häufig war er in der Offensive auf sich allein gestellt. Sinnbildlich: Das einzige schwedische Tor war ein Eigentor der Iren. Vorlagengeber: Ibrahimovic, natürlich. Mach's gut, Zlatan.
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Tschechien, Gruppe D: 2:5 Tore, ein Punkt. Definitiv zu wenig. Große Comeback-Qualitäten nach einem 0.2-Rückstand gegen Kroatien. Das war's dann aber auch.
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Gruppe C, Ukraine: 0:5 Tore, null Punkte. Spielerisch besser, aber vom Ergebnis her schlechter als Russland. Au weia.
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Schnell raus waren die Russen in Gruppe B: Zwei Tore geschossen, aber sechs kassiert, nur ein Punkt in der Vorrunde. Fünf gute Minuten gegen England, darauf lässt sich für die WM 2018 in Russland aufbauen.
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Waren als Erste weg, die Rumänen. Kein schlechtes Eröffnungsspiel gegen Frankreich, aber dann: Nur ein Tor geschossen, einen Punkt geholt (gegen die Schweiz) und im entscheidenden Spiel um Platz 3 in der Gruppe A gegen Albanien verloren.
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Eine schlechte Nachricht für die Engländer hatte ich von Anfang an: Sie konnten gar nicht Europameister werden. Ich hatte auf sie getippt.
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