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EM-Stadt BrightonMehr Präsenz würde dem Spiel guttun

Im südenglischen Badeort Brighton ist die EM so gut wie gar nicht präsent. Immerhin tragen die Möwen über der Stadt eine Fußballbotschaft.

Fußballfieber ist nur im Stadion zu messen: Zwei Fans in Brighton Foto: imago

M it etwas hitziger Phantasie kann man an diesem Sommertag in Brighton auch den großen Tag des Fußballs wahrnehmen. Schließlich sind die Möwen äußerst zahlreich und lautstark. Sie können in der Küstenstadt als Botschafterinnen des Fußballs gesehen werden. Schließlich ist eine Möwe das Wappentier des hiesigen Fußballklubs Brighton & Hove Albion, der sowohl mit dem Männer- als auch dem Frauenteam in der höchsten englischen Liga spielt. Die Fußballerinnen von Brighton werden gar von der ehemaligen englischen Auswahltrainerin Hope ­Powell trainiert.

Ansonsten aber gibt es in der Stadt, in der die Menschen sich scheinbar gerade vornehmlich zwischen Shoppen und Strand zu entscheiden haben, fast keine Anzeichen für die von der britischen Presse als so bedeutsam eingestufte Fußballpartie zwischen England und Spanien. Die knapp 29.000 Zuschauer:innen, die sich am Abend im ausverkauften Falmer-Stadion versammeln, machen sich vor dem Anpfiff im Stadtleben nicht bemerkbar.

Beim Männerfußball ist es zuletzt in Mode gekommen, dass uniformiert gekleidete Fans ihre Gruppenstärke demonstrieren. Die Bewohner von Barcelona und Sevilla erlebten etwa dieses Jahr verwundert die Invasion der weiß gekleideten Fans von Eintracht Frankfurt, die zu Zehntausenden durch die Straßen der Städte gezogen sind.

Nur Fußball – nicht mehr

Die Reduktion auf das Wesentliche, wie man sie in Brighton erlebt, hat durchaus etwas für sich. Es ist eben nur ein Fußballspiel. Dieser Purismus hilft allerdings der Sichtbarkeit der Fußballerinnen nicht. Den zahlreicher werdenden Medienberichten und die Kampagnen der Sponsoren hängen doch ein wenig in der Luft, wenn das Turnier nicht auch auf die Straßen getragen wird.

Sichtbar sind in Brighton so vor allem nur die Versuche der Uefa-Partner mit Gewinnabsichten ihre Fortschrittlichkeit auszustellen. An den Bushaltestellen in der Stadt wirbt ein internationales Kreditkartenunternehmen mit Nationalspielerinnen aus England, Spanien und Schweden sowie dem Satz: „Wenn mehr von uns spielen, gewinnen wir alle.“

Und am Abend während des Spiels war im Stadion auf den Anzeigetafeln wiederum die Kampagne eines weiteren Uefa-Sponsors zu sehen. „Frauen spielen Fußball. #Kein Frauenfußball“. Eine gute Idee eigentlich. Blöd nur, dass die Uefa mit dem Markennamen „Uefa Women’s Euro England 2022“ für das Turnier wirbt. Im hauseigenen Wettbewerb um das Bessersein hat die Uefa in diesem Fall schon einmal haushoch verloren.

Die Möwen sind in Brighton im Unterschied zu den Fans wirklich überall anzutreffen. Als sich recht spät an diesem Tag Hochdramatisches im Stadion ereignet, ziehen sie krächzend ihre Kreise über der Arena.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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3 Kommentare

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  • Interessante Beobachtungen, aber vielleicht nicht ganz fair. Ich lebe in der Nähe von Brighton und muss das ein bisschen relativieren.

    Das Amex-Stadion hat nur eine Kapazität von 31.800, also war das Spiel am Mittwoch mit "knapp 29.000 Zuschauer:innen" fast ausverkauft. Das finde ich positiv. Ich habe in unserem kleinen verschlafenen Ort nach dem Spiel erstaunlich viele Fans (weiblich und männlich) gesehen, die im Stadion waren oder sich das Spiel im Pub angeguckt haben.

    Dabei fand ich es sogar ganz schön, daß da nicht "uniformiert gekleidete Fans ihre Gruppenstärke demonstrieren", sondern relativ normal gekleidete Leute/Familien zum Fußball gehen. Ist mal einen nette Abwechslung vom aggressiv gesponserten "brand football" mit überteuerten Trikots und vorgedruckten Bannern.

    Außerdem: Obwohl Brighton and Hove Albion ein inzwischen erfolgreicher Erstliga-Verein ist (war lange anders), ist die Stadt in Sachen Fußball so ein bisschen ein "outlier". Das Einzugsgebiet der Fans ist praktisch die halbe Südküste von England, da die nächsten größeren Vereine (Southampton, Portsmouth) recht weit weg sind. Die Stadt an sich ist nicht so "fußballverrückt". Sagen wir mal so: du findest eventuell mehr Regenbogenflaggen in den Kneipen der Innenstadt als blau-weiße BHAFC-Flaggen!

    • @Wolf Lücker:

      Popularität(Frauenfußball) != Popularität (Männerfußball). Und es gibt Möwen in Brighton.



      Da fand ich Ihren Kommentar doch informativer. Zudem habe ich es vor Ort auch anders sehen können.

  • Bin sonst zwar nich so für Fußball, aber eigentlich ziemlich sicher, dass das beim Männerzweig dieses Sports bzw. seinen kommerziell endoptimierten Großevents seit vielen, vielen Jahrzehnten von nicht jedem geschätzter aber total gewohnter Anblick ist. Das mit den Sponsoren ist geschenkt, sie werden es überleben und kalkulieren will halt auch gelernt sein, aber mir kam der Eindruck, dass nicht nur dort manches offenbar ein wenig in der Luft hängt. Vielleicht doch erst mal selber mit dem Sport und seiner Umgebung vertraut werden, bevor man sich daran macht, warum auch immer, nun mal weniger Interessierte oder anderweitig Beschäftigte zu mobilisieren. Offenbar gibt's an der Organisation selbst, auch in Brighton, jedenfalls wenig auszusetzen, das ist ein gutes Zeichen. Worauf ich hingegen verzichten könnte sind die scheinbar zwanghaften Querverweise, d.h. also auch auf eine völlig andere kommerz. Dimension, eine völlig anderen Tradition und Geschichte und eine völlig andere Kultur und Mentalität und Demografie. Es gibt bestimmt an die hundert Sportarten, die Europameisterschaften austragen und was Invasionen von "Schlachtenbummlern" angeht oder der weltausstellungsartige Circus-Is-Coming-To-Town-Rahmen und das alles überlagernde Ambiente, wieviele davon teilen das denn mit dem Männer(spitzen)fußball? Die Frauen-EM ist dahingehend die klar Gewöhnlichere und man hofft, dass der Kommentator nicht gegen seinen Willen irgendwo abgestellt wurde, denn das musst nicht sein. Gerade der vergleichsweise Purismus indes spricht einige Anhänger wohl erst an und wenn's denn (nur) um Sichtbarwerden der Aktiven ginge ist ein Sportplatz, auch im Leistungssport, eventuell eh nicht die beste Option. Auch nicht für Männer.