EM-Qualifikationsspiel England – Kosovo: Vorwärts immer!
In England beeindruckt das kosovarische Team trotz Niederlage mit seinem Draufgängertum. Ziel ist der große Coup – die Qualifikation für die EM.
„Wir sind stolz auf unsere Jungs, die so toll für unser Land kämpfen“, sagte die Spitzenkandidatin der Demokratischen Liga des Kosovo (LDK) Vjosa Osmani, die gute Chancen hat, bei den Parlamentswahlen am 6. Oktober Premierministerin des Landes zu werden.
Und es fing auch richtig gut an. Noch hatten im überfüllten Versammlungsraum der Partei manche Besucher ihren Platz gesucht, als alle schon aufsprangen und die Führung feierten. Der Stürmer Valon Berisha hatte schon nach 36 Sekunden nach einem krassen Abwehrfehler getroffen. Das Tor war so cool erzielt, wie es der 68-jährige Schweizer Trainer Bernard Challandes von seiner sehr jungen Mannschaft fordert. „Es geht nicht um die Taktik, nicht um die richtigen Laufwege. Es geht darum, den Ball zu gewinnen und ein Tor zu erzielen. Wir müssen ein bisschen Verrücktheit an den Tag legen. Und viel Leidenschaft.“
15 Spiele ist Kosovo nach seinem Amtsantritt im März 2018 ungeschlagen geblieben. Immer mit der Vorwärtstaktik. Verteidigen? „Das entspricht auch nicht meinem Naturell als Coach. Nein, es wird das pure Gegenteil sein.“ Laufen sollen seine Jungs. Laufen und laufen. Doch die Profis aus der Premier League nahmen nach ein paar Minuten das Spiel in die Hand und ließen die Kosovaren ihrerseits ins Leere laufen. Schon in der 8. Minute erzielte Raheem Sterling den Ausgleich. Dann ging es Schlag auf Schlag: Kapitän Harry Kane (19.), Mergim Vojvoda (38./Eigentor) und BVB-Profi Sancho (44./45.+1) zeigten die Schwächen in der Verteidigung der Kosovaren vor allem bei schnellen Kontern auf.
1:5 zur Pause. Die vor dem Fernseher im Vorraum des Gebäudes ausharrenden Hausmeister und Angestellten zeigten lange Gesichter. Und auch in den Straßen hin zum Zentrum der Stadt war es ungewöhnlich ruhig. Doch im „Babel“ drängten sich bei lauter Musik die jungen Leute. Kosovo verfügt ja bei zwei Millionen Einwohnern über die jüngste Bevölkerung Europas. „Ach, das macht nichts, unsere Jungs werden wieder gegen andere gewinnen“, schrie die 18-jährige Elisa, „das Spiel ist auch noch nicht vorbei.“ Die umstehenden Freunde lachten über so viel Optimismus.
Kosovos NationaltrainerBernard Challandes
Doch kaum war ein Bier bestellt, lag ein Torschrei über der ganzen Stadt. Wieder war es Valon Berisha, der die englische Verteidigung aushebelte und sie mit einem knallharten Schuss aus zehn Metern überraschte. Als nur sechs Minuten später Vedat Muriqi einen Foulelfmeter glücklich verwandelte, glomm im „Babel“ sogar etwas Hoffnung auf. Natürlich hatten die Engländer in der zweiten Halbzeit etwas Tempo aus ihrem Spiel genommen und ihren Gegner unterschätzt. Nach dem kosovarischen Doppelschlag kamen sie nicht mehr richtig ins Spiel. Und nachdem der kosovarische Torwart den Elfmeter von Harry Kane parierte, ergaben sich sogar noch Chancen für die Kosovaren, einen weiteren Treffer zu erzielen. Bersant Celina verpasste das Tor und damit den Anschluss nur knapp (88.).
Kosovo ist jetzt mit acht Punkten Dritter in der Gruppe, Tschechien hat nach dem Sieg in Montenegro mit neun Punkten die Nase vorn. Ein Unentschieden in Prag und ein Sieg gegen Montenegro könnte für den zweiten Platz nach den Engländern reichen. Und man hätte ja noch die Chancen über die Qualifikation in der Nations League, in der Kosovo ganz vorne liegt.
Seit drei Jahren erst ist das 2008 für unabhängig erklärte Land in die Strukturen des Weltfußballverbandes zugelassen. Gegen die Proteste Serbiens. Vorher spielten die besten Spieler des Landes in der Schweizer Nati (Granit Xaka und Xherdan Shaqiri) oder in der Nationalmannschaft Albaniens. Für die Jungen kommt das nicht mehr infrage. „Unsere Nationalmannschaft hilft Kosovo, aus der Isolation herauszukommen“, erklärt die Politikerin Vjosa Osmani. Sie hofft auf die baldige Aufhebung des Visazwangs gegenüber ihrem Land.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen