piwik no script img

EM-QualifikationDie einstigen Loser aus Lostopf fünf

Nordirlands Fußballer können sich erstmals seit 29 Jahren für ein großes Turnier qualifizieren. Bei einer EM war der Fußballzwerg noch nie.

Gareth McAuley erzielt sein zweites Tor gegen die Färöer Foto: reuters

Niemand hatte sie auf der Rechnung. Hätte man darauf gewettet, dass sich Nordirlands Fußballer für die Europameisterschaften im nächsten Jahr in Frankreich qualifizieren, könnte man jetzt auf ein hübsches Sümmchen hoffen. Die Mannschaft führt die Gruppe F an, sie liegt einen Punkt vor Rumänien und vier vor Ungarn.

Gewinnt man am Montagabend in Belfast gegen Ungarn, ist die Qualifikation perfekt. Trainer Michael O’Neill sagt: „Ich glaube, es wäre das erste Mal in der Geschichte, dass sich ein Team aus dem Lostopf Nummer fünf qualifiziert.“ Und es wäre das erste Mal seit 29 Jahren, dass Nordirland wieder bei einem großen Turnier dabei ist. Damals, bei der WM in Mexiko, schied die Mannschaft in der Vorrunde aus. Für eine Europameisterschaft haben sich die Nordiren noch nie qualifiziert.

Fast wäre es ihnen 1984 gelungen, als sie die Bundesrepublik Deutschland im Hin- und Rückspiel jeweils 1:0 besiegten. Am Ende waren beide Mannschaften punktgleich, aber Nordirland musste aufgrund des schlechteren Torverhältnisses zu Hause bleiben. Bei der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2018 bekommt es das deutsche Team wieder mit Nordirland zu tun.

Der jetzige Höhenflug ist überraschend. Schließlich haben die wahnwitzigen britischen Fernsehgelder den Nationalmannschaften des Vereinigten Königreichs und Irlands nicht gutgetan. Die Vereine aus der Premier League kaufen mit dem Geld fertige Spieler im Ausland, sodass der einheimische Nachwuchs kaum noch zum Zug kommt. Darunter leiden alle fünf Teams der Inseln.

Dass man in Irland dennoch eine anständige Truppe zusammenbekam, liegt an O’Neill. „Unsere Motivation ist da, weil Nordirland die Qualifikation braucht“, sagt er. „Es hätte eine riesige Bedeutung für die Entwicklung des Fußballs in unserem Land.“ Gareth McAuley sagt, man habe aus vergangenen Fehlern gelernt, als man gegen die großen Teams achtbare Ergebnisse erzielte, aber gegen die vermeintlichen Zwerge versagte.

Nicht schön, aber erfolgreich

Er selbst sorgte dafür, dass das gegen die Färöer am Freitag nicht geschah, und erzielte zwei Tore beim 3:1-Sieg. Kyle Lafferty, der den dritten Treffer beisteuerte, sagt, O’Neill habe dem Team vor allem die richtige Einstellung eingeimpft. Das Ergebnis ist nicht unbedingt schön anzusehen, aber hat Erfolg. Dazu kam das Glück, dass bei der Auslosung keine großen Mannschaften gezogen wurden.

Michael O’Neills Namensvetter Martin O’Neill, Trainer der Republik Irland, hatte weniger Glück. Mit Deutschland und Polen als Gegner kann man bestenfalls auf Platz drei hoffen. Manche träumen von einem vereinten irischen Team, das es ja mehr als 40 Jahre lang gab, von der Gründung des Verbands 1880 bis zur irischen Teilung 1921. Bis 1955 konnten Spieler für beide Mannschaften spielen, dann bestimmte die Fifa, dass sich die Spieler entscheiden mussten. Während es beim Rugby, Cricket, Hockey und Golf längst wieder gesamtirische Teams gibt, ist das beim Fußball nicht der Fall.

Das liegt zwar auch am politischen Konflikt, aber vor allem an Eitelkeiten und Machtkämpfen der Funktionäre. Ein erstes Tabu ist aber bei dieser EM-Qualifikation gebrochen worden: Die Uefa hatte das Heimspiel der Nordiren gegen Finnland im März auf einen Sonntag gelegt. Es war das erste Mal, dass die Mannschaft am Tag des Herrn antreten musste. Protestantische Fundamentalisten demonstrierten vor dem Stadion, aber Nordirland siegte 2:1 und legte den Grundstein für die Qualifikation, die das Team heute unter Dach und Fach bringen kann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Wann endlich wird die EM-Qualifikation nach einem anderen System durchgeführt? Schon der Begriff „Lostopf Nummer fünf“ lässt innere Wut aufsteigen. Da werden Mannschaften gesetzt, andere müssen zittern, die Fünfer gelten als Punktelieferanten.

     

    Daher plädiere ich für ein modifiziertes Schweizer System, wie es im Amateurbereich schon erfolgreich eingesetzt wird. Es gibt 53 europäische Teams, also sechs Runden (2^6=64, 64>53>32). Wie beim Schach haben gibt es einen großen Vorteil: mit der FIFA/Coca-Cola Weltrangliste gibt es bereits eine Vorsortierung zum Stichtag. In den Runden spielen dann Sieger gegen Sieger, Unentschieden gegen Unentschieden und Niederlage gegen Niederlage, Freilos für den Letzten. Falls das nicht passt, wird so gepaart, dass die Mannschaften insgesamt geschichtlich möglichst selten gegeneinander gespielt haben.

     

    Statt also den Sportlichen „Kracher“ Deutschland gegen Andorra, hieße es Nordirland gegen Griechenland, Slowenien, Israel, Türkei und Republik Irland. Das sind einerseits machbare Gegner, andererseits Mannschaften die auch Fußball spielen können.

     

    Schließlich gäbe es die Paarungen Kasachstan, Georgien, Liechtenstein, Malta, San Marino und Andorra von denen wenigstens einzelne ganz neue Erfolgserlebnisse hätten. Zudem würden wir erfahren, ob die Platzierungen dort zufällig sind oder ob der Sport dort weniger wichtig genommen wird.

     

    Zu klären wäre nur, welcher Modus für Hin-und Rückspiel gefunden werden soll. In jedem Fall wäre es für Spieler, Zuschauer und Statistiker interessanter. Zudem ist es blöd, wenn wegen Lospechs wichtige Länderteams in der Hauptrunde fehlen.