: EG–Parlament untersucht Urangate
■ Untersuchungsausschuß eingesetzt / Testfall für die parlamentarischen Rechte des sonst eher machtlosen EG–Parlamentes / EG–Parlamentarier: „Wichtigstes Ereignis vor den nächsten Europa–Wahlen“
Aus Straßburg Thomas Scheuer
Auch das Europäische Parlament (EP) will nun Licht ins Dunkel der europäischen Atom–Kanäle bringen: Am Dienstag nachmittag setzte die Straßburger Versammlung einen Untersuchungsausschuß über den Transnuklear– Skandal ein. Das EP beruft sich auf den EURATOM–Vertrag, der in allen EG–Mitgliedstaaten geltendes Recht ist. Nach diesem Vertrag ist Plutonium als „besonderer spaltbarer Stoff“ Eigentum der Gemeinschaft; seine Verwendung unterliegt der Überwachung durch die EG–Kommission. Demzufolge soll der Untersuchungs– Ausschuß klären, wie Plutonium in Fässer mit schwach– und mittelaktivem Atommüll geraten und verschoben werden konnte, obwohl es gemäß Art. 79 EURATOM der Buchführungspflicht Brüssels unterliegt. Ferner soll dem naheliegenden Verdacht nachgegangen werden, die Kommission sei ihrer vertraglich verankerten Kontrollpflicht nicht ausreichend nachgekommen. Die Bestellung des Ausschusses wurde von allen Fraktionen unterstützt; Ddie erste Initiative dazu war Aanfang Januar von der grünen Abgeordneten Undine Bloch von Blottnitz ausgegangen. Der SPD–Abgeordnete Rolf Linkohr bezeichnete den EP–Ausschuß als „das wichtigste Ereignis vor den nächsten Europa–Wahlen“ und „einen Testfall für die demokratische Kontrolle in Europa.“ Noch ist nämlich völlig unklar, welche Befugnisse dieses Gremium überhaupt hat, ob es etwa einen Anspruch auf Zutritt zu Atom–Anlagen in den Ländern der Gemeinschaft erheben kann. Da die nationalen Parlamente über keinerlei Kontrollbefugnisse in Angelegenheiten anderer EG– Staaten haben, könnte das Europäische Parlament, sofern sich seine Rechtsauffassung durchsetzt, tatsächlich Wesentliches zur Durchleuchtung Urangates beitragen. Frau Bloch von Blottnitz erinnerte allerdings an die Schwierigkeiten, mit denen das EP im Falle der skandalverseuchten Atomanlage im britischen Windscale/Sellafield zu kämpfen hat: Seit einem Jahr verweigern sowohl Betreiber als auch die Regierung in London dem Parlament Informationen aus dem zivilen Bereich der Anlage mit der Begründung, dadurch würden auch militärische Geheimnisse gefährdet. Von der EG–Kommission in Brüssel scheint in Sachen Nukem nicht viel Aufklärerisches zu erwarten: Sie verwies in einer Antwort auf eine Anfrage, die Frau Bloch von Blottnitz bereits im Sommer letzten Jahres eingereicht hatte, auf die „besonders effektiven Verfahrensweisen der Überwachung“ der Hanauer Atomfabriken.
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