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EDMUND STOIBER HAT EINEN VERBÜNDETEN: DIE ROT-GRÜNE KOALITIONAngst essen SPD auf

Hoffnung und Furcht sind untrennbar, schrieb ein französischer Schriftsteller vor mehreren hundert Jahren. Wie Recht er doch hatte. Anders als aus einer seltsamen Mischung dieser Gefühle lassen sich manche – zunächst scheinbar unbegreiflichen – Fehler nicht erklären. Der Bundeskanzler möchte Spekulationen über seine Haarfarbe gerichtlich verbieten lassen. Der Verteidigungsminister fordert einen Mitschnitt vertraulicher Diskussionen der ihm unterstellten Generale. Der SPD-Generalsekretär scheint viel Energie darauf verwandt zu haben, über bestimmte Aspekte einer Spendenaffäre seiner Partei nicht informiert zu werden.

Wäre nicht bekannt, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist: Man könnte vermuten, die SPD-Spitzenpolitiker hätten nicht mehr alle beisammen. Die Furcht des Regierungslagers wird verständlich, wenn man sich bewusst macht, dass die Sozialdemokraten nur ein Argument zu haben glauben: Schröder. Der ist nach wie vor deutlich populärer als Edmund Stoiber. Ist das alles? Ja, offenbar ist das alles. Zum Stichwort Optimismus fällt den Genossen sonst nicht viel ein. Schröders Vorsprung besagt jedoch weniger als nichts. Es gibt Grund zur Sorge, wenn ein Amtsinhaber trotz des dazugehörigen Bonus gerade mal zehn Punkte vor einem Konkurrenten liegt. Noch dazu, wenn von diesem eigentlich eine Polarisierung der politischen Auseinandersetzung erwartet worden war und seine Partei trotzdem erheblich beliebter ist als die des Regierungschefs.

Dem Vernehmen nach sind immer mehr Anhänger der Union mit ihrem Kandidaten unzufrieden. Zu blass sei er, zu zögerlich und viel Kreide habe er gefressen. Wenn derartige Berichte stimmen, dann beweisen sie nur eines: Die größte Hoffnung von Schröder liegt in Fehlern der Gegenseite. Dankbar sollte die Union dem bayerischen Ministerpräsidenten sein! Erinnert sich jemand? Vor 20, 30 Jahren hat der heute 60-Jährige mit menschenverachtenden Äußerungen über Intellektuelle, Asylbewerber und Gesellschaftskritiker von sich reden gemacht. Was ist heute der böseste Vorwurf, mit dem er sich auseinander zu setzen hat? Dass er ein humorloser Aktenfresser sei. Damit lässt es sich leben. Zumal Stoiber nicht dumm genug ist, um eine Bescheinigung seiner Fähigkeit zur Selbstironie juristisch einzufordern.

Ein alter politischer Grundsatz lautet, es werde niemals eine Opposition gewählt, sondern stets vor allem eine Regierung abgewählt. Das stimmt nur teilweise. Eine große Rolle spielt in diesem Zusammenhang stets die Frage, welche Erwartungen sich mit der Regierung bei ihrem Amtsantritt verbunden haben. Willy Brandt war seinerzeit von dem Wunsch ins Kanzleramt getragen worden, ein Machtwechsel könne dazu beitragen, einen neuen, liberalen Geist wehen zu lassen. Auch mit Schröder hatten sich Hoffnungen auf ein Ende dessen verbunden, was ein großer Teil der Bevölkerung als politischen Stillstand empfand. Diese Hoffnungen wurden enttäuscht. Vom transatlantischen Verhältnis über die Energiewende bis zur Tobin-Steuer – Rot-Grün hat vor allem den Eindruck hinterlassen, nichts gegen die und nur wenig mit den europäischen Verbündeten bewirken zu können.

Warum soll man dieses Bündnis dann noch wählen? Jahrzehntelang ist das, was von vielen herbeigesehnt und von noch mehr gefürchtet worden war, als „rot-grünes Projekt“ bezeichnet worden. Dieses Projekt wurde von den eigenen Protagonisten gründlicher entzaubert, als seine Gegner das jemals vermocht hätten – und das gilt selbst dann, wenn die Bundesregierung am Ende doch im Amt bestätigt werden sollte. Zahlreiche rot-grüne Stammwähler meinen, dass sich unter Stoiber so viel nicht ändern werde. Ihre Angst vor einem Erfolg der Gegenseite ist geringer als ihr Glaube an messbare Erfolge des eigenen Lagers.

Möglich, dass genau diese Frage künftig zur Messlatte für Wahlsiege werden wird. Die überaus wandlungsfähige FDP ist da ein gutes Stimmungsbarometer. Es ist aufschlussreich, dass sie kontinuierlich mehr auf einen konservativen und immer weniger auf einen sozialdemokratischen Bündnispartner zu setzen scheint. Die Grünen sind hingegen da ziemlich belanglos. Sie haben sowieso keine Alternative zur SPD. Weit haben es die Rebellen der 80er-Jahre gebracht: Ihr politisches Überleben hängt heute von ihren einstmals widerspenstigen Geburtshelfern ab. Man versteht, warum die SPD-Führung sich fürchtet. BETTINA GAUS

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