E-Sport als neue Einnahmequelle: Olympia, dupliziert
Während der Pariser Spiele beschloss das IOC die Einführung eines weiteren Mega-Events: Olympische E-Sports-Spiele. Saudi-Arabien ist voll dabei.
Das Symbol von Olympia sieht immer gleich aus. Fünf Ringe, fünf Farben. Der Hintergrund muss weiß sein. Den genauen Ton, so wie die Anordnung, legt das Internationale Olympische Komitee (IOC) fest. Jedes Land soll sich mit seiner Flagge in den Farben wiederfinden. Dazu sind die Ringe ineinander verschränkt. Künftig werden die fünf Ringe neben den Sommer- und Winterspielen eine weitere Veranstaltung schmücken: die Olympischen E-Sports-Spiele.
Jüngst hat das IOC einstimmig deren Ausrichtung beschlossen. Ab 2025 sollen die Spiele stattfinden. „Wenn Olympia und dessen Werte im Leben junger Menschen weiterhin stattfinden sollen, müssen wir dort hingehen, wo diese jungen Menschen sind“, sagte IOC-Präsident Thomas Bach. Schließlich gebe es weltweit über drei Milliarden Gamer.
Zusammenarbeit auf 12 Jahre vereinbart
Wie oft die E-Sports-Spiele stattfinden sollen, wurde bisher nicht geklärt. Welche Titel genau gespielt werden, lässt das IOC ebenfalls offen. Lediglich der Austragungsort kann bereits verkündet werden: Saudi-Arabien. Hier sollen Athlet:innen aus der ganzen Welt zusammenkommen. Bereits vor der Abstimmung hat das IOC mit dem Königreich eine Zusammenarbeit für die kommenden zwölf Jahre vertraglich vereinbart.
„Saudi-Arabien verfügt über eine große – wenn nicht sogar einzigartige – Expertise in dem Feld E-Sport“, erklärt Bach die Entscheidung. Was genau er mit „Expertise“ meint, wird nicht weiter ausgeführt. Eine Sache gibt es aber, die Saudi-Arabien deutlich von anderen Ländern unterscheidet, wenn es um E-Sports geht: Geld.
Seit Jahren investiert Saudi-Arabien in E-Sports. Ziel ist es, das neue Epizentrum für Gaming zu werden. 38 Milliarden Dollar möchte man in die Branche stecken. Mit den Olympischen E-Sports-Spielen kommt das Land seinem Vorhaben einen weiteren Schritt näher. 40 Prozent der gesamten Branche gehören laut eigenen Angaben bereits jetzt dem staatlichen Unternehmen Savvy Games Group. Während der Olympischen Spiele in Paris fand die erste E-Sport-WM in Saudi-Arabien statt, mit dem höchsten je ausgezahlten Preisgeld: 60 Millionen US-Dollar.
Die Entscheidung des IOC, quasi dritte Olympische Spiele aufzulegen, sorgt für Kritik, vor allem in den sozialen Medien. Sportswashing lautet der Vorwurf gegen das Regime, in dem Minderheiten und Frauen systematisch unterdrückt werden.
Laut James Lynch, Chef der NGO FairSquare, die unter anderem zu Menschenrechtsverletzungen im Sport forscht, versucht Saudi-Arabien mit den Olympischen E-Sports-Spielen, seine Außenwirkung zu verbessern. „Saudi-Arabien hat ein Imageproblem. Viele empfinden es als einschüchternd und moralisch fragwürdig“, so Lynch. Mit Sport lasse sich ein neues Narrativ von einem Land erzählen, denn „Menschen sind tief bewegt von ihrer Verbindung zu bestimmten Sportarten oder Teams“. Auch beispielsweise in Fußball und Golf, aber auch andere Disziplinen investiert Saudi-Arabien bereits große Geldsummen. Mit E-Sports gewinnt das Phänomen aber eine neue Qualität.
Saudi-Arabien wäscht sich jung und sportlich
„E-Sports ermöglicht es Saudi-Arabien, mit einer jungen Zuschauerschaft, die noch sehr beeinflussbar ist, zu interagieren“, erklärt Lynch. Laut dem Publikumsforschungsunternehmen Global Webindex sind 70 Prozent der E-Sports-Zuschauerschaft zwischen 16 und 34 Jahre alt. Für diese erzeugt Saudi-Arabien das Bild von einem Land, das „offen für technologische Veränderung ist und eine Plattform bietet, um seine Träume zu verfolgen“, so Global Webindex.
Gerade im E-Sport werden Frauen vermehrt gefördert, auch sexuelle Minderheiten sind stark präsent. Riot Games zum Beispiel, die Firma hinter den Spielen „League of Legends“ und „Valorant“, veranstaltet Female-only-Turniere und finanziert ein Förderprogramm für diversen Nachwuchs. Darüber hinaus werden in der Cosplay-Community, die eng mit dem Sport verwoben ist, immer wieder herkömmliche Geschlechterbilder hinterfragt und aufgebrochen. Viele queere Menschen vernetzen sich hier.
„Es geht Saudi-Arabien darum, den Menschen eine Reihe von verschiedenen Bildern zu zeigen“, so Lynch. „Wenn jemand Saudi-Arabiens Menschenrechtsverletzungen kritisiert, kann man künftig sagen: 'So einfach ist es nicht. Schau, sie investieren in progressive Sportarten wie E-Sports.“
Ähnliches habe das Land 2023 versucht. Damals wollte die Tourismusbehörde Saudi-Arabiens Sponsor der Frauenfußball-WM werden. Durch öffentlichen Druck platzte der Deal aber.
Dass Saudi-Arabien schon heute große Teile der E-Sports-Branche besitzt und nun auch noch die Olympischen E-Sports-Spiele austrägt, birgt für Lynch die „reale Gefahr“, dass Saudi-Arabien zum Monopolisten in E-Sports wird. Für Menschen aus der Szene würde das vor allem eins bedeuten: „Es wird sehr schwierig sein, in E-Sports tätig zu sein, ohne den Kronprinzen bei seinem Programm zu unterstützen.“
Das IOC hat sich dem schon mal nicht entgegengestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau