E-Mail-Überwachung durch den BND: Ein Spampostfach voller "Bomben"
Der BND liest regelmäßig E-Mails mit bestimmten Suchworten. 2010 verfünffachte sich die Zahl auf zehn Millionen. Dabei ist die Kontrollwut sehr unergiebig.
FREIBURG taz | Der Bundesnachrichtendienst (BND) erfasst bei der strategischen Fernmeldeaufklärung immer mehr E-Mails. Das geht aus einem Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) des Bundestags hervor, der der taz vorliegt. Der Überwachungsstaat ist dabei aber vor allem mit Spam-Mails beschäftigt.
Bei der strategischen Telekom-Überwachung kontrolliert der deutsche Auslandsgeheimdienst BND stichprobenweise den Telefon-, Fax- und E-Mailverkehr mit bestimmten Ländern. Die BND-Computer zeichnen die Kommunikation auf, wenn in einer E-Mail bestimmte Suchworte wie "Sprengstoff" verwendet oder per Telefon bestimmte Rufnummern angerufen werden.
Früher sollte damit ein Angriffskrieg entdeckt werden. Seit 1994 wird das Instrument aber auch gegen Terroristen und die organisierte Kriminalität eingesetzt. Das PKG muss die Maßnahmen genehmigen und später darüber berichten.
Im jüngsten PKG-Bericht schnellten die Zahlen massiv nach oben. Zur Abwehr terroristischer Angriffe wurden im Jahr 2010 rund 10 Millionen Nachrichten erfasst. Im Jahr davor waren es nur knapp 2 Millionen Mails. Zur Kontrolle unerlaubter Rüstungsexporte mussten 27 Millionen Nachrichten überprüft werden, auch hier hat sich die Zahl der Treffer binnen Jahresfrist mehr als verfünfacht. Erstmals wurde auch nach Hinweisen auf illegale Schleusungen von Ausländern gesucht und dabei rund 45.000 Nachrichten erfasst. Der Links-Abgeordnete Jan Korte sprach von einer jährlich steigenden "Kontrollwut" des Geheimdienstes.
Interessant waren für den Geheimdienst aber nur 213 Nachrichten, davon 180 im Bereich Rüstung, 29 mit Terrorbezug und 4 zu Schleusungen. Aufwand und Nutzen gerieten also erkennbar aus dem Gleichgewicht, zumal im Vorjahr noch 278 Nachrichten nützlich waren.
Den Grund nannte das PKG auch: Spam-E-Mails nehmen immer mehr zu, enthalten aber interessant klingende Suchworte. Immerhin 90 Prozent betrage der Spam-Anteil im internationalen E-Mail-Aufkommen, so der Bericht. Die BND-Experten sind deshalb vor allem mit der Auswertung von Spam-E-Mails beschäftigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen