Dutschke-Film im tazcafé: Jungspunde vs. Alt-68er
Bei der Premiere des ZDF-Dokudramas "Dutschke" in der taz stritten Zeitzeugen und Jüngere vor allem darüber, ob der Film sich zu sehr auf Rudi Dutschke konzentriert.
Letzte Aufregung um zu viel Licht, zu wenig Platz und pfeifende Mikros. Gemurmel und gespannte Gesichter, Sesselrücken und Drängen um die letzten Sitzplätze am Treppenabsatz oder im Ausweichraum im ersten Stock der taz. Dann geht es los: der Rudi-Dutschke-Film im Rudi-Dutschke-Haus in der Rudi-Dutschke-Straße.
Gemeinsam mit dem ZDF und teamWorx zeigt die taz das 90-minütige Dokudrama, eine Filmform, die Dokumentar- und Spielfilmelemente miteinander vermischt mit dem Ziel, Geschichte erlebbar zu machen und subjektive Blickwinkel von Protagonisten einzubauen. "Dutschke" funktioniert ebenso: Neben nachgespielten Szenen aus den politisch aktiven Jahren Rudi Dutschkes werden Archivbilder eingebaut und mit Interviewsequenzen von Weggefährten und Zeitzeugen gewürzt.
Gleich zu Beginn wird klar: Es gibt ihn nicht, den "einen" Rudi Dutschke. Attestieren ihm einzelne Weggefährten unermüdliche Ernsthaftigkeit bis hin zur Ironielosigkeit, beschreiben ihn andere als engagierten Menschen mit Humor, der zuhören konnte und "besessen war vom Friedensgedanken".
Eine scheinbar unlösbare Aufgabe, alle Facetten von seiner lebendigen Persönlichkeit, seinem Schaffen und Handeln und vor allem alle Kontroversen und Aspekte seines Lebens in anderthalb Stunden unterzubringen.
Der Film zeigt laut Drehbuchautor Daniel Nocke, der auch die Interviews für den Film geführt hat, Ausschnitte aus den wichtigen Jahren: als Dutschke anfing, sich politisch zu engagieren, die Diskussion um die Aufnahme seiner Gruppe "Subversive Aktion" im Sozialistischen Deutschen Studentenbund, den er später als politischer Beirat vertrat, seine Beziehung zu Gretchen Dutschke, Bernd Rabehl und Gaston Salvatore.
Beleuchtet werden auch die bedeutsamen Stationen wie der Protest gegen den Schah-Besuch 1967 in Berlin, die Vietnamkonferenz 1968 und schließlich das Attentat auf Rudi Dutschke, an dessen Folgen er 1979 verstarb. Die nicht unwesentliche Rolle des Springer-Verlages bei der Stimmungsmache gegen die Studentenbewegung und Rudi Dutschke thematisiert der Film ebenso.
So kontrovers und vielschichtig die Person Rudi Dutschke gewesen war, so gegensätzlich verlief auch die Diskussion im Anschluss. Der Regisseur Stefan Krohmer, Drehbuchautor Daniel Nocke, Hauptdarsteller Christoph Bach und taz-Autor Christian Semler debattierten untereinander und mit dem Publikum die Frage, wie glaubwürdig das gezeigte Dokudrama das Leben und die Person Rudi Dutschkes und vor allem die politisch bewegten 68er-Jahre einfangen konnte. Was war die tragende Kraft für seine politische Begeisterung und sein Engagement, welchen Einfluss hatte Rudi Dutschkes Wirken auf die ganze Bewegung seiner Zeit und vor allem danach für die Gründerzeit der heutigen Grünen Partei? Wie unkommentiert dürfen einzelne Zeitzeugen im Film stehen bleiben?
Gestritten wurde zwischen jüngeren Zuschauen und 68er-Aktivisten vor allem über eines: Setzt der Film zu sehr auf die Person Dutschkes und zeigt zu wenig von seinem Umfeld?
Die Jüngeren fanden das zumeist nicht. Sie wollten vor allem Dutschke als Person kennen lernen. Seine Weggefährten hingegen wollten ihre Zeit wiedersehen. Ihnen zeigte der Film zu wenig von der Stimmung der späten Sechzigerjahre.
Auch Dutschkes Frau Gretchen war gekommen, hielt sich aber eher zurück. "Alle Witwen außer der Richtigen streiten sich um das Erbe", bemerkte eine Veranstaltungsbesucherin später. Etwas komisch sei es für sie dann doch gewesen, sich selbst auf der Leinwand zu sehen, sagte Gretchen Dutschke lachend.
Einigkeit herrschte weitgehend über die fabelhafte Darstellung von Christoph Bach - selbst Kritiker des Films waren der Meinung, er habe es geschafft, die Brücke zwischen Realität und Fiktion herzustellen. Bei anderen Fragen schieden sich die Geister: Gab es nicht auch in der linken Bewegung Neid und Konkurrenzkampf?
In einer Frage waren sich jüngere und ältere Zuschauer und die Filmschaffenden dann aber wiederum einig: Mit der Einbettung der divergierenden Ansichten und Interpretationen zur Persönlichkeit Rudi Dutschkes scheint das Schwierigste gelungen: Es gab Antagonisten zum alles überstrahlenden Helden Dutschke. Über die Interviews entlarven sich die Gegenspieler unter seinen Weggefährten selbst. Zumindest dadurch wurde klar: Er war nicht allein.
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