: Durchs Wohnzimmer oder Feuchtgebiet
■ Rätselraten um Transrapid-Trasse beendet / Sechs Varianten im Angebot Von Heike Haarhoff
In Behörden- und Planerkreisen läßt man sich nicht gern in die Karten gucken: Frühestens im Frühsommer 1996 werde die Magnet- schwebebahnplanungsgesellschaft (MPG) – sie führt das Planfeststellungsverfahren für den geplanten Transrapid zwischen Hamburg und Berlin durch – öffentlich „eine Präferenzaussage zur künftigen Bahntrasse machen.“ MPG-Geschäftsführer Hans-Christoph Atzpodien versuchte gestern, die Spannung aufrechtzuerhalten. Dabei sind Teile des „großen Geheimnisses“, was die Streckenvarianten auf Hamburger Gebiet angeht, längst gelüftet und behördenintern diskutiert.
Danach wird die Entscheidung – mit kleinen Abweichungen – zwischen zwei Hauptkorridoren fallen: Der „Nordvariante“, quer durch Hammer Wohnstuben, und der „Südvariante“, mit der die matschigen Feuchtwiesen in Bergedorf dann „trockengelegt“ würden. Nach Informationen der taz starten alle Trassen, die im Horror-Kreis der engeren Wahl sind, am Hauptbahnhof (vgl. Karte).
Von dort aus ginge es nach Norden entlang der S2/U2/U3-Linie bis zum Berliner Tor und von dort entweder über Bürgerweide und Sievekingsallee oder Borgfelder Straße und Hammer Landstraße zum Horner Kreisel zur A 24 und weiter zum Autobahnkreuz Hamburg-Ost. Weitere Nord-Variation: entlang der S2 oder S3 – oder auch über den Güterbahnhof Richtung Rothenburgsort – entlang der S2 bis Tiefstack, dann über die Güterumgehungsbahn zum Horner Kreisel. Für die südliche Strecke sind drei Variationen im Angebot: Erstens entlang der S2 über Billwerder Moorfleet bis zur A1, dann zur A24 beim Autobahnkreuz Hamburg-Ost. Zweitens entlang der S2 bis Bergedorf, weiter an der S2 Richtung Aumühle zur A24 bei Hornbek. Drittens entlang der S2 nach Bergedorf, dann entlang der AKN nach Geesthacht und von dort zur A24.
Landschaftsplanerische Experten halten die „Südvariante“ für wahrscheinlicher, weil sie parallel zur Autobahn verläuft: Dort sei der Lärmpegel ohnehin hoch, und außerdem werde mit weniger widerborstigen AnwohnerInnen als in Hamm gerechnet, die enteignet werden müßten.
Betroffene und Naturschutzverbände, die den ökologischen und wirtschaftlichen Wahnwitz längst durchschaut haben, bereiten sich schon jetzt auf einen langwierigen Rechtsstreit vor. Doch die Erfolgsaussichten sind mager: Denn den „unverzichtbaren Bedarf“ und das „öffentliche Interesse“, die nachgewiesen werden müssen, bevor Menschen zwangsumgesiedelt werden, hat sich die Bundesregierung vorausschauend am 29. Juni schon mal selbst mit ein paar unauffälligen Gesetzes-Zeilen bestätigt. Falls der Entwurf (s. Kasten) nach der Sommerpause von Bundestag und Bundesrat verabschiedet wird, „werden Klagen gegen Enteignung zur Farce“, fürchtet BUND-Mitglied Karl-Heinz Karch. Denn die Gerichte, so der Hamburger Anwalt Gerd Uecker, könnten dann auf „lästige Alternativenprüfungen verzichten“, weil der Bedarf ja per Gesetz da ist.
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