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Dunkel und cool

Selbstdesigntes präsentieren GesamtschülerInnen auf einer Modenschau bei Kampnagel  ■ Von Heike Dierbach

Die Siebtkläßler in der hinteren Reihe sind fachkundig: „Sieht geil aus!“ – „Das achte von links find' ich gut“ – „Cool, das ist ja n' echter Boxer-Mantel“. Die Models vorne auf der Bühne lassen sich davon nicht beirren. Lässig präsentieren sie zu gruftiger Musik die neue Mantel-Kollektion des renommierten Modehauses „Erich-Kästner-Gesamtschule“: Man trägt in diesem Sommer lang und dunkel.

Fünf Hamburger Gesamtschulen präsentieren heute und morgen auf Kampnagel mit einer Performance die Produkte ihrer Wahlpflichtkurse „Mode-Design“: 180 Kreationen, 180 kleine und größere DesignerInnen. Die sind zugleich ihre eigenen Models. Wer einen Einheits-Girlie-Stil à la Hennes & Mauritz erwartet, wird eines besseren belehrt: Von ihrer Zielgruppe können sich auch Couteuriers von Weltrang eine Scheibe abschneiden. Von schrill ausgeschnittenen Kleidern über Jacken voller liebevoll aufgesetzter Dreiecke bis zur Geschirrtuch-Mode reicht die Palette der Kids.

Die selbstgeschneiderte schwarz-weiß gemusterte Jacke allerdings „würde ich in der Schule wohl nicht anziehen“, räumt Johannes Kieß von der Gesamtschule Lohbrügge ein. Aber einen echten Lagerfeld kann schließlich auch keine normale Frau tragen. „Es geht uns in den Kursen nicht um das fertige Produkt“, betont Lehrerin Sybill Bohn, „sondern um den kreativen Prozeß“. Außerdem, so die Diplom-Designerin, setzen sich die SchülerInnen beim Maßnehmen und Heften auch mit ihrem Körper auseinander – „das ist für die Alterstufe sehr wichtig.“

Manche trauen sich gar den Solo-Auftritt in hochhackigen Schuhen. Gewagt auch eine Performance, in der eine Gruppe Jungen (natürlich) Betrunkene mimt, mit der entsprechenden Geräusch-Untermalung. „Äääh-Kotz“ lautet dazu die Wertung der selbsternannten Punktrichter. Mehr Gnade finden in ihren Augen da schon die ViertkläßlerInnen, die mit Jojos über die Bühne flanieren. Wer will da noch nach Mailand?

Einmal wirklich Designerin sein – das wäre schon etwas für Sonja Hain und Cathrin Kelch von der Erich-Kästner-Gesamtschule: „Aber eine Lehrstelle zu finden ist fast unmöglich.“ Modeln wäre den 16jährigen „viel zu stressig“: „Außerdem muß man da ja auch Sachen anziehen, die einem selbst nicht gefallen.“ In ihrer Show hingegen, informiert das Programmheft, geht es ums „Selbermachen und Zeigen: Das bin ich! – Hier und heute“.

Heute und morgen, 19.30 Uhr, Kampnagel, k 6

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