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Duma-Abgeordneter über das System Putin"Europa hat kein Rückgrat"

Wahlbetrug, Putins Rückkehr, drohende Aufstände und die Nachsicht der Europäer mit den russischen Machthabern. Der Duma-Abgeordnete Gennadi Gudkow findet klare Worte.

Elf Jahre KGB: Gennadi Gudkow ist ein erfahrener Mann. Bild: imago/Itar-Tass
Klaus-Helge Donath
Interview von Klaus-Helge Donath

taz: Herr Gudkow, Sie haben als einziger Abgeordneter die Kreml-Partei Geeintes Russland (GR) ausdrücklich aufgefordert, die Vorbereitungen für einen Wahlbetrug einzustellen. Sonst drohten Russland "Extremismus und Zerfall". Sind Sie ein Nestbeschmutzer?

Gennadi Gudkow: Wenn ich mich zum ersten Mal so eindeutig geäußert hätte, wäre ich wohl auf der schwarzen Liste gelandet. Meine Position ist jedoch seit Langem bekannt. Ich gehöre wohl zu jenem kleinen Kreis, den man gewähren lässt.

Warum lässt man Sie?

Als Alibi, weil es ganz ohne Kritik doch ziemlich dumm aussähe. Noch bin ich nicht unter Druck gesetzt worden. Das bedeutet aber keineswegs, dass die Wahlen fair verlaufen. Es findet nicht einmal eine Debatte statt.

Ihre Stimme wurde also nicht gehört, der Wahlbetrug geht weiter?

Nach dem Krönungsparteitag Wladimir Putins habe ich keinen Zweifel mehr daran, dass es in großem Umfang zu Fälschungen kommen wird. Es geht den Herrschenden um den nackten Machterhalt. Präsident Dmitri Medwedjew hat alle Oppositionsparteien als unfähig und korrupt verunglimpft. Sein Auftreten war peinlich, denn es ist sein Geeintes Russland, das im Volk "Partei der Diebe und Gauner" genannt wird.

Was schätzen Sie, wie stark wird manipuliert werden?

Die GR kann mit maximal 42 Prozent rechnen. Jedes weitere Prozent stammt aus dem Beutegut anderer Parteien. Wir erwarten für die GR rund 13 Prozent, davon werden sie uns drei bis vier Prozentpunkte stehlen. Den anderen Parteien natürlich auch. Die GR ist im Volk nicht populär. Rund 30 Prozent halten zu ihr, und das auch nur dank der Medienpräsenz, an der wir nicht teilhaben. Die Partei klammert sich an die Macht und wird daher alles tun, um an der Macht zu bleiben.

Gennadi Gudkow

56, ist Duma-Abgeordneter und stellvertretender Vorsitzender der Partei Gerechtes Russland. Von 1982 bis 1993 war er Mitarbeiter des KGB, aus dem er als Oberst der Reserve ausschied. In der Duma ist er stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsausschusses.

Was bedeutet die Rückkehr Wladimir Putins in den Kreml für die Entwicklung Russlands?

Im besten Fall Stillstand. Ich schließe aber auch eine politische Krise nicht aus. Wenn Putin zurückkehren, seine Fehler eingestehen und eine Reformagenda präsentieren würde, sähen die Dinge anders aus. So aber wird alles beim Alten bleiben: Einparteiensystem, ein abhängiges und ineffektives Parlament, keine unabhängigen Gerichte. Ich erwarte nichts Gutes für die Zukunft. Medwedjews Werben für Modernisierung und Innovation hat sich auch als eine PR-Blase herausgestellt.

Hat das System Putin überhaupt eine Überlebenschance?

Nein. Spätestens in zwei, drei Jahren werden die sozialen und wirtschaftlichen Probleme eine solche Sprengkraft haben, dass einschneidende Maßnahmen nötig werden, um die politische Stabilität zu bewahren. Gelingt das nicht, bricht ein Aufstand der Straße los und nationalistische Extremisten übernehmen die Macht.

Was könnte die EU tun?

Europa könnte das verhindern, wenn es nicht zu allem Ja und Amen sagen würde. Seine Haltung gegenüber Russland ist schlaff und ohne Rückgrat. Würden die Europäer bei Verstößen gegen Demokratie und Menschenrechte nicht nur mit Einreiseverbot drohen, sondern ihre Drohung wahr machen, kämen viele Amtsträger ins Grübeln.

Was macht Sie so sicher?

Fast die gesamte Elite ist inzwischen in Europa zu Hause. Kapital und Familien sind längst da. Die Kinder studieren in Europa und haben nicht vor, nach Russland zurückzukehren. Durch ihre Zurückhaltung stützt die EU das System Putin. Da die Machthaber von außen nichts zu fürchten haben, ziehen sie die Schrauben an und gehen immer brutaler gegen die Opposition vor.

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6 Kommentare

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  • W
    Weinberg

    „Europa hat kein Rückgrat“, denn die Russen haben Gas und Öl (und wir Deutschen haben den Putin-Spezi und Edel-Sozi Schröder)!

  • B
    @benz

    Glaubst Du was Du da geschrieben hast? Oder war es Ironie? Ich hoffe letzteres, denn sonst sehe ich schwarz...-

  • D
    Denis

    Na klar, Russland ist demokratisch, weil Gudkow noch nicht vom FSB erschossen wurde. Wie demokratisch Russland ist, zeigt der neuste Artikel in der taz "Russland geht gegen Wahlbeobachter vor". Wenn die Wahlbeobachtung eine Straftat ist und die Wahlfälschung nicht, muss es sich um die russische Form von Demokratie handeln.

  • B
    Benz

    Na also- die harten Worte gegen die Regierung aus dem Munde eines Oppositionsabgeordneten (Gudkow sitzt für die Oppositionspartei 'Gerechtes Russland' in der Duma) bestätigen doch, was ich schon oft in meinen Kommentaren schrieb: Die in der Duma vertretenen Oppositionsparteien sind mitnichten kremlhörig, wie sie in der deutschen Presse immer dargestellt werden. Sondern stehen in echter Konkurrenz zur Regierung, ringen mit der Regierungspartei um Wähler und Einfluss, bringen harte Kritik vor. Wie es eben ist in einem demokratischen System.

     

    Und dass Herr Gudkow seine Kritik frei äussert, zeigt einmal mehr wie unbegründet all das Gerede über Diktatur und fehlende Meinungsfreiheit ist.

  • D
    Denis

    Einreiseverbote und ähnliche Maßnahmen werden gegenüber Lukaschenko und Co. längst angewandt, es wäre an der Zeit, dass dieselben Maßstäbe auch für russische Politiker gelten. Gudkow hat Recht, es fehlt den europäischen Politikern einfach an Rückgrat.

  • J
    Jochen

    Das ist verwirrend, dass beide Parteien mit "GR" abgekürzt sind.