: Düstere Prognose
Landesdatenschützerin Imke Sommer fordert bei der Diskussion um den Film „Pre-Crime“ im City 46, dass Polizei nur Straftaten verfolgen soll, statt sie zu verhindern
Von Karolina Meyer-Schilf
Sie heißen „PredPol“, „Precobs“ oder schlicht „Beware“ – Computerprogramme, die der Polizei dabei helfen sollen, Straftäter und Verbrechen zu identifizieren, noch bevor etwas passiert ist. „Predictive Policing“, also prognosebasierte Polizeiarbeit, klingt wie Science-Fiction, und das war es auch, jedenfalls im Jahr 1956, als der Autor Philip K. Dick den Begriff „Pre-Crime“ erfand.
„Pre-Crime“ heißt denn auch folgerichtig der Dokumentar-Kinofilm, der gestern auf Einladung der Humanistischen Union im City 46 gezeigt wurde, und in dem es um den Einsatz von Algorithmen zur Verbrechensverhinderung geht.
Die im Film gezeigten Beispiele für den Einsatz von Prognose-Software mit Algorithmen zur Gefahrenabwehr waren dabei überwiegend erschreckend: In Chicago etwa setzt die Polizei auf eine sogenannte Strategic Subject List. Auf dieser Liste landet, wer sich in schlechter Gesellschaft befindet: Entscheidend ist nicht, was der Einzelne selbst getan hat, sondern was er eventuell in Zukunft tun könnte. Der falsche Freundeskreis? Ein ermordeter Bekannter? Das alles führt zu einem schlechteren persönlichen Score-Wert. Einmal auf der Liste, steht innerhalb kürzester Zeit die Polizei auf der Matte und mahnt zu einem besseren Leben, verbunden mit der Botschaft: Wir sehen dich. Wir haben dich auf dem Schirm. Lass dir bloß nichts zuschulden kommen.
In Deutschland nutzt unter anderem die Polizei München mit „Precobs“ ebenfalls eine Prognose-Software: „Dies bezieht sich aber nicht auf konkrete Personen, sondern auf kriminalgeografische Räume“, sagt die Sprecherin des Bremer Innenressorts, Rose Gerdts-Schiffler. Die Software klassifiziere lediglich Gebiete, in denen das Risiko für ein Verbrechen höher ist als woanders. Darauf reagiert wiederum die Polizei, indem sie dort verstärkt Streife fährt und Personen kontrolliert.
Und in Bremen? „Lagebilder und daraus abgeleitete Wahrscheinlichkeiten und polizeiliche Maßnahmen werden natürlich in allen Bundesländern angefertigt. Das ist polizeilicher Alltag, auch in Bremen“, sagt Gerdts-Schiffler. Eine spezielle Prognose-Software werde jedoch nicht eingesetzt und sei auch nicht in Planung, sagt Horst Göbel von der Bremer Polizei.
Der Landesdatenschutzbeauftragten Imke Sommer ist selbst das schon zu viel: Während der umstrittene Entwurf des novellierten Polizeigesetzes einen Ausbau der präventiven Befugnisse der Polizei vorsieht, plädierte sie dafür, die Gefahrenabwehr ganz aus dem Aufgabenbereich der Polizei zu streichen: „Das ist nicht das, was wir gemeint haben. Wir wollen, dass die Leute gar nicht erst auf die Idee kommen, Verbrechen zu begehen!“ Welcher Algorithmus dafür infrage kommen könnte, die Menschheit entsprechend umzupolen, sagte die Datenschutzbeauftragte an diesem Abend nicht.
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