Dürre in Deutschland: Getreide unter Stress
Auf sandigen Böden wächst Weizen und Mais wegen der Trockenheit schlechter als üblich. Besonders betroffen sind Nord- und Ostdeutschland.
BERLIN taz Ein Blick auf die Wettervorhersage zeigt das mittlerweile gewohnte Bild: Temperaturen von bis zu 38 Grad, keine Wolke am Himmel, kein Regen in Sicht. Nicht nur Menschen in Büros und S-Bahnen leiden unter der extremen Hitze. Auch die Nutzpflanzen auf den Feldern werden durch das Wetter vor ernste Probleme gestellt. Die EU-Kommission senkte ihre diesjährige Ernteschätzung für Getreide aus Deutschland von 47 Millionen auf 45 Millionen Tonnen. Dabei sind die Temperaturen nicht das Hauptproblem. "Der Weizen verbrennt weder noch vertrocknet er. Ihm fehlt oft einfach das Wasser", erklärt der Sprecher des Deutschen Bauernverbands, Michael Lohse.
In normalen Jahren reift das Getreide auf den Feldern langsam heran. Während des Reifeprozesses verliert die Pflanze laufend Flüssigkeit, was sich am langsamen Farbwechsel von Grün zu Gelb zeigt. Anhaltender Wassermangel und hohe Temperaturen setzen das Getreide aber unter Stress. "Salopp gesagt: Die Pflanze hat Angst. Sie leitet dann die sogenannte Notreife ein, um zu retten, was noch zu retten ist", sagt Lohse. Der Nährstofftransport von der Wurzel zum Korn wird unterbrochen, es entwickelt sich das, was Bauern ein "Kümmerkorn" nennen.
Ein kalter Winter ist für Getreide generell kein Problem. Auch nicht, wenn er wie es in diesem Jahr war, länger dauert. Die Reifung setzt dann einfach entsprechend später ein. Diesen Vegetationsrückstand kann die Pflanze normalerweise ohne Probleme aufholen. Dafür braucht sie aber ausreichend Sonne und Wasser. Letzteres fehlt in diesem Jahr, weil der Niederschlag ausbleibt.
Die Hitze und der Wassermangel wirken sich aber nicht überall gleich aus. Gefährdet sind vor allem Pflanzen auf sandigen, leichten Böden, die in Nord- und Ostdeutschland vorherrschen. Diese Böden speichern deutlich weniger Wasser als die schweren Böden mit hohem Lehmanteil in Süddeutschland. In dieser Region sind die Ernteaussichten unverändert gut. Ebenso in Westdeutschland, wo mit mehr Regen gerechnet wird.
Der Bauernverband prognostiziert für dieses Jahr eine Getreideernte von 44 bis 45 Millionen Tonnen. "Ein klares Ergebnis gibt es natürlich erst, wenn alles in der Scheune ist. Aber generell dürfte es damit ein durchschnittliches Jahr werden." Warum dann die anhaltend schlechten Nachrichten von der Erntefront? Lohse hat dafür eine Erklärung: "Durch die Notreife beginnt die Ernte auf den leichten Böden, und deren Zahlen prägen dann erst mal die Aussichten. Die ,guten' Regionen kommen erst noch."
Der Preis für Weizen ist in der letzten Zeit zwar auf 120 Euro pro Tonne gestiegen, aber es handelt sich um Weltmarktpreise. Ein Zusammenhang mit dem Wetter in Deutschland hält der Bauernverband für unwahrscheinlich. Die wichtigen Getreidebörsen säßen im US-Bundesstaat Kansas und würden sicher nicht hektisch auf eine schlechte Ernte in Brandenburg reagieren.
Ähnlich sieht die Situation beim Mais aus. Als besonders sonnenliebende Pflanze hängt er wegen des kalten Frühjahres in der Entwicklung weit zurück. In den Regionen, wo die Böden ausreichend Wasser hergeben, macht die Pflanze diesen Rückstand im Moment aber wett, auch wenn mit einer deutlich verspäteten Ernte zu rechnen ist. In Sachsen und Brandenburg hingegen befürchten die Bauern Ertragsverluste.
Kartoffeln, Erdbeeren und andere Gemüse sind von den Problemen wenig betroffen. Sie werden überwiegend in künstlich bewässerten Kulturen angebaut und sind deshalb nicht auf Niederschlag angewiesen. Auch die Weinbauern sind optimistisch. "Pralle Sonne, kombiniert mit genug Feuchtigkeit im Boden. Für uns ist die Situation momentan eigentlich optimal", freut sich Ingo Steitz, Weinbaupräsident für die Region Rheinhessen. "Wenn jetzt keine schweren Unwetter kommen, wird das ein sehr gutes Jahr."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut