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Dürftig bis fadenscheinig

■ betr.: Leserbriefe von WiSo-Re dakteur Opoczynski vom 9. 9. 98 und A. Hörmann vom 16. 9. 98 zu Heide Platens „Detektive suchen heiße Spur bei Aldi“ vom 24. 8. 98, S. 7

Zwar scheint mir betroffener „Gerd H.“ kein ausgesprochener Sympathieträger zu sein. Um so klarer scheinen mir die 50.000 Mark für den Einsatz der Detektive in den Sand gesetzt, da „seit 1993 etwa eine halbe Million“ offenbar im wesentlichen zu Recht bezogen worden sind. Im Gegensatz zu LeserIn Hörmann finde ich die Argumente von WiSo-Redakteur Opoczynski nicht plausibel, sondern dürftig bis fadenscheinig.

Was soll (1.) die Feststellung des Gesamtbetrags der in 16 Jahren bezogenen Sozialhilfe? Genausogut könnte man nach den in 16 Jahren vom Bundesangestellten Helmut K. bezogenen Leistungen (auch aus Steuergeldern) fragen. Einzig relevant aber ist die Frage: Zu Recht oder zu Unrecht, und wenn letzteres, wieviel? Diese Antwort bleibt Opoczynski schuldig.

Was soll (2.) die Feststellung der Vorstrafen des Betroffenen? Sympathisch machen die nicht. Aber auch Steuerhinterzieher Otto Graf Lambsdorff war gehbehindert und ist doch straffällig geworden — ohne damit sein prinzipielles Anrecht auf Sozialhilfe zu verwirken.

Was ist (3.) mit der „arbeitenden“ Ehefrau? Hat sie auch früher schon gearbeitet, ohne daß ihr Einkommen angerechnet wurde? Das scheint noch offen. Daß sie heute, nach Streichung der Sozialhilfe, gezwungen ist, irgendwo irgendwas zu verdienen, ist dagegen logisch und legal.

Auch Argument 4 (zunächst verlorenes Eilverfahren) und 5 („Verständnis angesichts der Umstände“ durch den „ziemlich engagierten“ Datenschutzbeauftragten) klingen nach Fakten bzw. herzerweichend, tendieren aber in der Aussagekraft gegen Null. Insgesamt wird von Opoczynski keine der Schilderungen in Platens Artikel direkt widerlegt.

Was bleibt, ist der fade Eindruck, daß es „Bild und WiSo noch immer am leichtesten fällt, diejenigen anzupinkeln, die sich am wenigsten dagegen wehren können. Und daß leider allzu viele (LeserInnen und SeherInnen) auch noch drauf reinfallen. — Daß Gerd H. in seiner Lage sich gegen Bild wehrt, macht ihn mir eher wieder sympathisch.

Bei WiSo-Redakteur Opoczynski dagegen ist zu vermuten, daß ihn die neuen Gehaltswünsche von Daimler-Chef Schrempp beeindrucken, anstatt daß er sie einfach unanständig findet und sich wundert, daß das zuständige Finanzamt keine Privatdetektive auf Schrempp ansetzt... Winfried Schneider, Düsseldorf [in Bezug auf Deinen „Pest“-Satz kann ich nur hoffnungsvoll sagen, daß es ja bald eine regelmäßige taz- Ruhr geben soll! - d.sin]

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