Duell der EM-Favoriten: Oberklasse, diese Typen!
Wer gewinnt dieses EM-Turnier? Ein Blick auf die Marktwerte der einzelnen Mannschaften offenbart Erstaunliches.
Da Tippspiele noch nicht aus der Mode gekommen sind, haben sich in den vergangenen Tagen viele Sportsfreundinnen und überhaupt viele Zocker den Kopf darüber zerbrochen, wer wohl diese Europameisterschaft gewinnen wird. Die Methoden sind verschieden: Man kann auf sein Bauchgefühl hören, wider besseres Wissen fest zu seiner slowakischen oder schwedischen Auswahl stehen – oder auf die Wettquoten schauen.
Sinnvoller ist ein Blick auf die Marktwerte der einzelnen Mannschaften, denn die prognostizieren einen sehr wahrscheinlichen Zieleinlauf im Rennen um die beste Fußballmannschaft des Kontinents. Auf Platz eins liegt England mit 1,27 Milliarden Euro. Dahinter folgt Frankreich (1,03 Milliarden). Dann kommt Jogis Truppe mit 936,5 Millionen Euro. Vierter ist Spanien (915). Dann kommen: Portugal, Italien, Belgien und die Niederlande. Nicht mal 75 Millionen Euro erreichen in Summe die Teams aus Ungarn, Finnland und Nordmazedonien.
Alle Spieler Finnlands (44,6 Millionen Euro), also des Letzten im Ranking, sind weniger „wert“ als ein einziger Fußballer der Three Lions (48,9 im Schnitt). Man könnte jetzt natürlich sagen: Das sind alles nur Zahlenspiele, und Überraschungen hat es mit den EM-Siegen von Griechenland und Dänemark ja auch gegeben; Geld ist nicht alles, denn bei den vergangenen drei Turnieren haben mit Spanien und Portugal nicht die „wertvollsten“ Teams den Titel geholt.
Rubel und Reife
Mag sein, aber einerseits ist das mit den Überraschungs-Europameistern schon eine Weile her, und zweitens hat sich das Klassensystem im Fußball weiter verfestigt. Die Unterschiede zwischen Oberklasse, Mittelklasse und Unterklasse sind größer geworden.
Der englische Markt ist schon seit mindestens einem Jahrzehnt außer Rand und Band, weswegen die Pole Position der Engländer in der Marktwerttabelle mit Vorsicht zu genießen ist, und unter den Top Ten werden neben den Prämissen des Marktes und der Ökonomie auch noch solche der Sozialpsychologie, taktischen Reife und Trainingssteuerung eine Rolle spielen. Man sollte sich aber keine Illusionen über Chancengleichheit machen. Die Vorrunde dürfte den Marktwertführern nur dazu dienen, sich warmzuspielen. Die Kleinen dürfen mitmachen, und diese Art der Teilhabe muss ihnen reichen.
Wenn sich solche krassen Unterschiede in Leistung und Wert ergeben, dachte man früher schon mal über ein Handicap nach, einen Ausgleich, der einen unnatürlichen Vorsprung wieder egalisierte. Im Fußball begegnet man solchen Unterschieden mit Ignoranz. Man lässt die Seidenfüße gegen Rumpelwaden antreten und das angeblich Unvermeidliche geschehen. Fußball ist ein Spiel, bei dem der Marktwert Spiele gewinnt. Aber nicht immer. Damit legitimiert sich diese EM.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten