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Dubiose Geschäfte„Egal, was das kostet“

Die Bremer Wohnungsbaugenossenschaft Gewosie versorgt ihren Aufsichtsratsvorsitzenden mit dubiosen Aufträgen. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet.

Die Gewosie gönnt ihren Genossen teure Balkone Foto: Klaus Wolschner

BREMEN taz | Wenn ein Schuh aus dem Moor ragt, ahnt man, dass da eine Leiche dranhängt. Montagfrüh beim Arbeitsgericht ging es scheinbar um eine Routine-Sache: Die Wohnungsbaugenossenschaft Gewosie hat ihren Haustechniker J. fristlos gekündigt. Der soll interne Unterlagen ausgedruckt und an den Präses der Handwerkskammer weitergegeben haben.

Der Haustechniker bestreitet, dass er etwas weitergegeben hat, und der Präses, etwas vom Haustechniker bekommen zu haben. Die Arbeitsrichterin weist darauf hin, dass der Arbeitgeber für eine fristlose Kündigung das dann schon nachweisen muss.

Aber die Gewosie hat das Vertrauen in ihren Techniker verloren, erklärt ihr Anwalt Rainer Küchen, sie will ihn loswerden – „völlig egal, was das kostet“. Und so wird ein Schuh draus: Der Inhalt der vermeintlich kopierten Akten ist offenbar noch brisanter als das arbeitsgerichtliche Verfahren.

Und zum Glück haben die Unterlagen ihren Weg in die taz-Redaktion gefunden, und belegen tatsächlich deutlich, warum die Gewosie-Spitze dieses Material lieber unter Verschluss behalten hätte.

Ja nicht verscherzen

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Gewosie ist auch Bauunternehmer. Ihm hat der Gewosie-Vorstand Axel Utrata offenbar umfangreiche Aufträge zugeschanzt. Die hält Baufachmann Jan-Gerd Kröger, Präses der Handwerkskammer, für höchst zweifelhaft. Er hat die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Korruption eingeschaltet.

Für Kröger, der selbst in Bremen-Nord eine Baufirma betreibt, ist das ein heißes Eisen. Denn die Gewosie ist mit ihren 4.000 Wohnungen in Bremen-Nord ein großer Auftraggeber, mit dem es sich ein kleiner Handwerker nicht ohne Not verscherzt. Aber da ist Kröger Gesinnungstäter – insbesondere weil er den starken Verdacht hat, dass Gewosie-Chef Utrata nicht zum ersten Mal auf Kosten der Genossen das Geld der Genossenschaft mit vollen Händen verteilt.

Um Filz und Selbstbedienung zu vermeiden, steht in der Satzung der Gewosie: „Im Vorstand und im Aufsichtsrat dürfen höchstens drei der Mitglieder Angehörige des Baugewerbes sein.“

Ein Glückstag für Mathias Gill

Einer von ihnen ist Mathias Gill, Bauunternehmer in Bremen-Nord, dessen Firmen viel Umsatz mit Aufträgen der Gewosie machen. Für Bauunternehmer Gill war der 23. 3. 2016 ein glücklicher Tag: Da wurde er Aufsichtsratsvorsitzender der Gewosie. Gleich am Tag darauf hat er sich offenbar hingesetzt und Rechnungen geschrieben. Es ging meist um dieselbe Sache: „Schornsteinköpfe überprüfen und ggf. instand setzen“ bei diversen Miethäusern.

Genauer war der Auftrag nicht gefasst – offensichtlich hatte der Geschäftsführer der Gewosie Vertrauen zu seinem Aufsichtsratsvorsitzenden. Die Gill-Bau überprüfte und fand bei allen Häusern einen vergleichbaren Aufwand: Material auf den Dachboden bringen, Gerüst anbringen, Schäden begutachten, Fugen ggf. verdichten, abbauen. Oft genau 4.700 Euro. In einem Fall, so steht es in den internen Unterlagen der Gewosie, war das „nicht erforderlich lt. Gill“, wurde aber dennoch in Rechnung gestellt und bezahlt.

Für einige Häuser hatte die Gill Bau – unvorsichtigerweise, muss man vielleicht sagen – eine Aufstellung ihrer Arbeit zur Rechnung gelegt, aus denen hervorgeht, wann die Arbeiten durchgeführt wurden. So ergab sich am 24. 3. 2016, also an Tag eins von Gills Amtszeit als Aufsichtsratsvorsitzender, ein Rechnungsbetrag von insgesamt mehr als 30.000 Euro.

Mauern bei Minusgraden

Verwunderlich ist dabei, dass diese Aufträge alle ein knappes Jahr zuvor, am 28. 5. 2015 erteilt worden sein sollen – so ist es auf den Auftragsbögen vermerkt. Und noch verwunderlicher ist, dass dies teilweise Briefbögen sind, auf denen unten gedruckt steht: „Aufsichtsratsvorsitzender Mathias Gill“. Offenbar wurden sie nach dem 24. 3. 2016 ausgedruckt.

Unterstellt man, dass die Schornsteinköpfe wirklich undicht waren, würde das die Frage aufwerfen, warum die Baufirma Gill diese Aufträge erst nach der Heizperiode in Angriff nahm. Auf einer der Rechnungen für das Haus Hammersbecker Str. 184 steht als Zeitraum der Ausführung: „16. 11.–24. 3. 16“, also mehr als vier Monate. In einem Fall, der Hammersbecker Str. 182, sollen die Arbeiten schon zwischen dem 18. und 24. 1. 2016 ausgeführt worden sein.

Nur Spießer vergleichen Preise

Da war es aber bitter kalt, unter Null Grad. Zu kalt für Maurerarbeiten, sagt Handwerkskammer-Präses Kröger. Und wenn man andere Handwerker fragt, was sie für die offiziell in den Gill-Rechnungen aufgelisteten Arbeitsschritte verlangen, dann nennen sie Beträge um 2.000 Euro und nicht mehr als das Doppelte.

Hatte die Gewosie vergessen, bei einem derartigen Auftragsvolumen Konkurrenzangebote einzuholen? Von einigen der „instandgesetzten“ Schornsteinköpfe gibt es Fotos, die für den Handwerkskammer-Präses die Frage aufwerfen, was denn da gemacht worden sein soll.

Auch weil die Sache öffentlich geworden sei, wolle die Gewosie ihren Haustechniker „völlig egal, was es kostet“ loswerden, hat ihr Anwalt Küchen vor Gericht erklärt. Da hat er aber einiges durcheinandergebracht – in der Zeitung gestanden hatte nur der Fall der Balkon-Anbauten, die die Gewosie vor einigen Jahren in Auftrag gab. Ausgeführt wurden sie von einer Firma Rabs aus Thüringen. Die nimmt pro Balkon rund 4.000 Euro. Bezahlt hat die Gewosie rund die Hälfte mehr – an die Firma Sani Tech aus Siegen.

Telefonieren mit Axel Utrata

Auf die überhöhten Balkon-Preise war das Architektenbüro Feldschnieders aufmerksam geworden. Die Gewosie lehnte es aber ab, günstigere Konkurrenzangebote einzuholen. Bloß: warum? Als ein Hinweis auf die Antwort könnte man die Adresse von Sani Tech deuten. Die residiert in einem Geschäftshaus Kohlenweg 3 in Siegen – wo früher der Sitz der Süd-Nord Vermögensbetreuungs-GmbH der Frau des Gewosie-Chefs, Ingeborg Utrata, war. Auf Presseanfragen gibt es von ihrem Gemahl, dem Gewosie-Chef Axel Utrata nur die Antwort: „Hiermit ist das Gespräch beendet.“ Dann knallt er den Hörer auf.

Schlagzeilen hatte die Gewosie zuletzt 2011 gemacht, als sie ganze Straßenzüge verkaufte – Wohnungen, in denen langjährige Mitglieder der Genossenschaft wohnen. Zunächst war eine Firma mit Briefkasten in der Steueroase Norderfriedrichskoog als Käufer auftreten. Inzwischen sind die Genossenschaftswohnungen im Portfolio des US-Versicherungsfonds Conwert gelandet.

Neuerdings haben die Mieter eine Telefonnummer in Delmenhorst als Ansprechpartner – bei der sich nur eine Automatenstimme nach kurzem Piepsen mitteilt: „Achtung. Es steht kein Platz mehr für die Aufnahme von Sprachnachrichten zur Verfügung.“

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