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Drosten zur Corona-Einschätzung des BNDOhne Quelldaten keine Einschätzung möglich

Wissenschaftler sollten Hinweise von Geheimdienstlern zum Corona-Ursprung einordnen helfen. Christian Drosten fehlen dafür aber grundsätzliche Daten.

Geheimdienstdaten sind ihm zu geheim: Der Virologe Christian Drosten Foto: Jens Kalaene/dpa

BERLIN dpa/taz | Der Berliner Virologe Christian Drosten hat sich zu den Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes (BND) zur Entstehung des Coronavirus geäußert. Die zusammengefasste Darstellung der Ergebnisse habe ihn zwar beeindruckt, erklärte der Direktor des Instituts für Virologie der Charité in Berlin, der Teil einer vom Kanzleramt um Einschätzung gebetenen Expertenrunde war. Die Quelldaten seien dem Kreis der Wissenschaftler aber nicht zugänglich gemacht worden. „Ich kann daher schon allein mangels Datenzugang kein wissenschaftliches Urteil abgeben.“ Zudem unterlägen alle Mitglieder der Runde einer Geheimhaltungsverpflichtung.Aus Sicht der Wissenschaft und der Öffentlichkeit möge es unbefriedigend sein, keine klare Einschätzung zu bekommen. Aber: „Für eine Auswertung nach wissenschaftlichen Standards müssten die Quelldaten in Gänze verfügbar und veröffentlicht werden, damit die Analysen für andere Wissenschaftler nachvollziehbar und reproduzierbar sind.“ Ohne diese Freigabe seien die mitgeteilten Erkenntnisse auf wissenschaftlicher Ebene nicht verwertbar.

Er selbst habe wie auch andere Forschende und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) immer wieder darauf hingewiesen, dass alle vorliegenden Daten und Informationen zum Virusursprung einer wissenschaftlichen Auswertung zugänglich gemacht werden sollten. Bei der bisherigen öffentlichen Informationslage ergebe sich eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit eines natürlichen Ursprungs, „und so wurde es auch stets von mir ausgedrückt: Für keine der Herkunftshypothesen gibt es einen Beweis, aber es gibt eine deutliche Gewichtung der Wahrscheinlichkeit“.

Am Mittwoch hatten Zeit, Süddeutsche Zeitung und andere Medien berichtet, dass dem BND bereits 2020 Hinweise für die sogenannte Laborthese vorlagen, die bei Treffen in den vergangenen Monaten von einer Expertenrunde bewertet werden sollten. Dieser These zufolge stammt das Sars-CoV-2-Virus aus einem chinesischen Biolabor, dem Wuhan Institute of Virology, an dem unter anderem an Coronaviren geforscht wird. Die zweite Theorie ist, dass das Virus wie auch schon das der Sars-Epidemie von 2002/2003 einen natürlichen Ursprung hatte.

Drosten hält einen natürlichen Ursprung von Sars-CoV-2 immer noch für wahrscheinlich, wie er erst im Januar in einem langen Interview der taz sagte – „und das nehmen auch fast alle Wissenschaftler an, die mit dem Thema befasst“ seien. „Annehmen bedeutet aber nicht wissen“, fügte Drosten hinzu. Er werde mit der Zeit skeptischer, weil es bis heute keine wasserdichten Beweise aus China gebe.

Aufgrund der aktuell zur Verfügung stehenden – wenn auch schwachen – Datenlage sei anzunehmen, dass die Übertragung auf den Menschen über Zwischenwirte zum Beispiel auf Tierfarmen stattgefunden habe, sagte auch Fabian Leendertz, Direktor des Helmholtz Institute for One Health in Greifswald, der Nachrichtenagentur dpa.

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11 Kommentare

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  • Was für ein oberflächliches, von der Sache ablenkendes Gezerre, mit dem wir uns nun auch noch beschäftigen sollen!



    Egal, welche Seite besser zerren wird, zentraler geht es um folgendes.

    In einem Labor (dem grössten?), das mit super tödlichen, Pandemie fähigen Viren experimentiert, wird so schlampig gearbeitet, dass der Verdacht eines entwischten, manipulierten Virus zumindest nicht auszuschliessen ist.

  • Mich würde dann ja interessieren wo der Skandal ist. Denn was hätte es geändert an den getroffenen Massnahmen.



    Interessant ist es für Prävention von weiteren Pandemien, aber rückwärts betrachtet macht es doch gar keinen Unterschied

    • @Ramelow Cathrin:

      Wie immer: die Schuldfrage ist bei Krimis interessanter als im Leben. In dem geht es darum, dass schwere Fehler eben beim nächsten Mal nicht auftreten.

    • @Ramelow Cathrin:

      Sehr richtig. Es gäbe dann zwar Verantwortliche, aber das Virus wäre genauso gefährlich gewesen, die Argumente für oder wider Lockdown, Impfung die gleichen, etc.

      Aber in autoritären Zusammenhängen, die in den Kategorien Schuld, Strafe und Feindschaft denken, geht mit der bloßen Strafbarkeit des Ursprungs die Machtphantasie einher, mit der Strafe auch die Folgen tilgen zu können. In diesem Denken ist die ganze Welt ein personalisierter Kladderadatsch, dem sie durch eigenen Größenwahn Herr werden wollen. Und so betrachtet besteht zwischen den beiden Varianten ein großer Unterschied. Genauere Auskünfte liefert die Psychoanalyse.

      Der Rest der Welt fragt einfach nur, ob solche Forschung nicht sorgfältiger isoliert oder ganz sein gelassen werden sollte. Was auch bei natürlichem Ursprung eine sinnvoll Frage ist.

  • Wollen wir wirklich wissen, womit sich der BND nicht lächerlich machen wollte?

    Wir sollten wieder zu der Diskussion zurück, bei der {Migranten, Ausländer, Arbeitslose, Juden} die Wurzel allen Übels sind! Da weiß jeder, dass das Unfug ist; hier weiß es nur der BND.

  • Ah ja, Herrn Drosten fehlen Daten. Schon sehr erstaunlich wie früh er sich dennoch einseitig festlegen konnte und trotz allem immer noch von den Medien als die Virologeninstanz hofiert wird. Wie wäre es mal mit ein bißchen Meinungsvielfalt?

    Orginalzitat C. Drosten "Gemeinsam verurteilen wir auf das Schärfste Verschwörungstheorien, die behaupten, dass Covid-19 keinen natürlichen Ursprung hat“

    • @independent:

      Er legt sich doch gar nicht fest. Er sagt, dass es für die Laborhypothese keinen Beweis gibt ergo dass es sich um Verschwörungstherorie handelt wenn behauptet wird sie sei wahr. Das heißt nicht, dass sie nicht wahr sein kann. Das ist ein Unterschied.

    • @independent:

      Im obigen Artikel erklärt Hr. Drosten auch Ihnen doch, was die Datenlage jeweils war und nun ist.

  • Man bräuchte das Vorläufervirus, oder zumindest seine Genomsequenz. Viren entstehen ja nicht wenn Gott mit den Fingern schnippst. Und de novo im Labor bauen übersteigt die menschlichen Fähigkeiten erheblich.

    Nachsuchen im wahrscheinlichsten Verbreitungsgebiet eines SARS-2-Vorläufers - die Karstgebirge westlich von Wuhan - fanden bislang nicht statt.

    In Südchina fand man bei den dortigen Fledermäusen eine ganze Reihe nahe verwandter Coronaviren, aber bislang ist *nichts* dokumentiert, aus dem mit oder ohne menschliche Hilfe SARS-2 hätte werden können.

  • Würde mich interessieren, welche Quellen der BND für seine Einschätzung genutzt hat. Selbst erhoben, in China gewesen, mit Menschen gesprochen und Proben gezogen? Oder doch eher Quellen / Informationen (ehemals?) 'befreundeter Dienste' genutzt? In letzterem Fall besteht dann die Gefahr, vor den Karren der Weltpolitik gespannt zu werden. China ist ja nun der große Antagonist.

  • Ergo: Die Faktenlage bleibt die gleiche. Aber das hat in den letzten Tagen natürlich niemanden daran gehindert, die wildesten Theorien wieder auszugraben und zu reichweitenstark zu verbreiten.