Drohnen-Debakel: „De Maizière hat gelogen“
Bereits im Dezember wurde dem Verteidigungsminister mitgeteilt, dass es beim „Euro-Hawk“-Projekt unlösbare Probleme gibt. Ein Ausschuss soll die Umstände klären.
BERLIN dpa | Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) ist bereits Ende 2012 schriftlich über massive Probleme beim Drohnen-Projekt „Euro Hawk“ informiert worden. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Mittwoch erhielt er am 10. Dezember eine Informationsmappe, in der auf sechs Seiten der Stand der „Euro Hawk“-Entwicklung äußerst kritisch bewertet wurde.
„Aufgrund der Zulassungsproblematik und weiterer Unsicherheiten“ sei „derzeit keine Grundlage gegeben, um eine Entscheidung für eine Serienbeauftragung zu befürworten oder gar zu treffen“, heißt es in dem Papier.
Das Ministerium hob in einer Erklärung erneut darauf ab, dass auch zu diesem Zeitpunkt die Probleme noch als lösbar erschienen. Die SPD sieht de Maizière dagegen der Lüge überführt. „Das ist der Beweis: De Maizière hat gelogen“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. „Ich fordere den sofortigen Rücktritt von Minister de Maizière.“ Am 26. Juni soll nun der Untersuchungsausschuss zur Drohnen-Affäre eingesetzt werden. Darauf verständigten sich Koalition und Opposition im Verteidigungsausschuss.
De Maizière hatte in der vergangenen Woche erklärt, er habe am 1. März 2012 in einer Besprechung erstmals von lösbaren Problemen beim „Euro Hawk“ gehört und sei dann am 13. Mai 2013 von seinen beiden beamteten Staatssekretäre über ihre Entscheidung zum Abbruch des Milliarden-Projekts schriftlich unterrichtet worden. In dem vorläufigen Protokoll der Verteidigungsausschuss-Sitzung vom 5. Juni heißt es, der Minister habe die Klausur vom 1. März 2012 als „einzigen Zusammenhang“ bezeichnet, in dem er vor der Entscheidung zum Abbruch mit dem Thema „Euro Hawk“ befasst worden sei.
Die SPD sieht nun einen weiteren Beleg dafür, dass de Maizière als Verteidigungsminister nicht mehr haltbar sei. „Es gibt eine alte deutsche Kulturtechnik, und die heißt lesen“, sagte SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. In dem Papier vom 10. Dezember 2012 sei erkennbar, dass es keine Zulassung für die Drohne geben werde.
Der Selbstverteidigungsminister
Der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour sagte: „Wieder einmal ist eine neue Verteidigungslinie des Selbstverteidigungsministers zusammengebrochen.“ De Maizière habe alle Informationen rechtzeitig auf dem Tisch gehabt und zugeschaut, wie Geld verbrannt worden sei. „Es ist fraglich, wie er noch weiterhin zu halten ist.“
Auch die Linken-Vorsitzende Katja Kipping warf de Maizière vor, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Ihre Partei will an diesem Donnerstag einen Missbilligungsantrag gegen den Minister in den Bundestag einbringen. Das ist das schärfste Instrument der Opposition, ein Regierungsmitglied zu kritisieren. In der Regel werden solche Anträge mit Regierungsmehrheit abgelehnt.
Das Verteidigungsministerium erklärte, es bleibe dabei, „dass bis zu der Entscheidungsvorlage der beamteten Staatssekretäre, die den Minister am 13. Mai 2013 erreicht hat, ihm gegenüber keine unlösbaren Probleme formuliert worden sind“.
Der Untersuchungsausschuss zur Drohnen-Affäre wird auf Drängen der Koalition voraussichtlich den ganzen Zeitraum der „Euro Hawk“-Entwicklung seit 2001 behandeln. Damals regierte Rot-Grün. Union und FDP wollen als Zeugen auch den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück laden, der Finanzminister war, als der „Euro Hawk“-Vertrag unterzeichnet wurde. Die Opposition wollte sich eigentlich auf die Regierungszeit de Maizières konzentrieren. Der Ausschuss muss seine Arbeit vor der Konstituierung des neuen Bundestags nach der Wahl am 22. September abschließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken