Drogeriekette dm: Bio lieber selber machen
Die bisherige Hausmarke Alnatura ist „erheblich irritiert“. Denn die Drogeriemarktkette dm will offenbar eine eigene Bio-Linie einführen.
BERLIN taz | Bislang kamen sie aus einer Sozialwerkstatt in Bayern. Dass die Stoffbeutel von dm nun in Indien produziert werden sollen, brachte dem Drogerieunternehmen unlängst jede Menge Kritik ein. Schließlich wirbt dm mit hohen ökologischen und sozialen Standards.
Nun sorgt die Nachricht, dass die größte Drogeriekette Deutschlands ihren Kunden künftig eine Bio-Eigenmarke anbieten möchte, erneut für Unruhe. Offenbar ist dm mit dem langjährigen Vertriebspartner Alnatura im Clinch. Bisher ist dm einer der wichtigsten Alnatura-Abnehmer.
Alnatura-Chef Götz Rehn hat seine Firma vor 30 Jahren mit vier Mitarbeitern im hessischen Fulda gestartet, heute arbeiten hier 2.200 Menschen. Unterstützt wurde er damals ausgerechnet von dm-Chef Götz Werner. „Ohne ihn hätte ich es nicht geschafft“, sagte der Alnatura-Manager noch im August.
Lange eine erfolgreiche Partnerschaft. Erst im vergangenen Jahr stockte Rehn die Belegschaft um ein Fünftel auf. Das Geschäftsjahr 2012/2013 brachte Alnatura einen Umsatz von 593 Millionen Euro, so viel wie nie zuvor. Konkrete Zahlen gibt es nicht, aber Branchenkenner gehen davon aus, dass ein Großteil des Alnatura-Umsatzes von dm kommt.
Weiteres Wachstum
„Die Entwicklung ist definitiv ein harter Schlag. Eine neue dm-Biomarke wird Alnatura mit Sicherheit Anteile kosten“, sagt ein Branchenexperte, der anonym bleiben möchte. Offenbar wurde Alnatura von den dm-Plänen überrumpelt. „Ein potenzieller Ausfall eines Handelspartners ist nicht absehbar“, stand vor nicht mal zwölf Monaten im Geschäftsbericht. „Aufgrund des Filialwachstums der Handelspartner“ wie dm sei „von einem weiteren Wachstum auszugehen“, war man damals optimistisch.
Umso erstaunlicher, dass in die jahrzehntelange Zusammenarbeit nun ein Keil getrieben wird. Zudem: Eine neue Bio-Eigenmarke von dm „dürfte preislich unter der Alnatura-Range geführt werden“, heißt es im Branchenmagazin Lebensmittelzeitung (LZ). Die LZ will außerdem gehört haben, dass dm sogar mit Alnatura-Lieferanten in Verhandlungen steht. Die Hessen seien „erheblich irritiert“.
dm äußert sich dazu nicht. Allerdings heißt es aus der Karlsruher Zentrale, dass man an seiner „drogistischen Kompetenz“ arbeite, also das Sortiment ausbaue. „Dass es dabei zu unterschiedlichen Auffassungen zwischen Partnern, auch mit Alnatura, kommen kann, ist aus unserer Sicht nicht außergewöhnlich“, zitiert die LZ dm-Geschäftsführer Erich Harsch.
„Man muss wissen, dass dm-Chef Erich Harsch und Alnatura-Gründer Götz Rehn nicht nur geschäftlich, sondern über ihre gemeinsame anthroposophische Lebensanschauung auch privat verbunden waren“, sagt der Branchenexperte. Dass diese Freundschaft jetzt unter marktwirtschaftlichen Mechanismen leide, sei „grotesk“. Davon will bei Alnatura allerdings niemand wissen. Sie sehe die aktuelle Entwicklung „gelassen“, sagt eine Sprecherin. Alles Weitere sei „reine Spekulation“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja