Drogenpolitik in Amerika: Legales Kokain statt Drogenkrieg
Der Krieg gegen die Drogen ist gescheitert. Die Organisation Amerikanischer Staaten diskutiert neue Ansätze. Doch der Weg dahin ist lang.
BERLIN taz | In dieser Woche tagt im guatemaltekischen Antigua die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), und ganz oben auf der Tagesordnung stehen neue Ansätze der Drogenpolitik. Denn dass der „Krieg gegen die Drogen“ der letzten Jahrzehnte gescheitert ist, bestreitet inzwischen kaum noch jemand.
Im Gegenteil: Produktion und Konsum illegaler Drogen in Europa und den USA sind stabil geblieben, neue Nachfrage in städtischen Ballungsräumen wirtschaftlich aufstrebender Länder des Südens sind hinzugekommen. In einem von Prohibition gekennzeichneten Markt heißt das: Die Strukturen Organisierter Kriminalität sind immer mächtiger geworden und bedrohen in großen Teilen Lateinamerikas die demokratische Regierbarkeit von Staaten.
Beim letzten OAS-Gipfel im kolumbianischen Cartagena hatte sich die Organisation vorgenommen, eine Expertenkommission mit dem Erstellen einer Studie zum Drogenproblem in der Hemisphäre und zu Szenarien für unterschiedliche Entwicklungswege zu beauftragen. Die ist nun fertig, und sie zeigt das Dilemma deutlich. Zwar enthalten sich die Experten umfassender Empfehlungen – allein schon, um keine der beteiligten Regierungen vor den Kopf zu stoßen.
Doch zumindest die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums wird als notwendiger, nahezu unumgänglicher Schritt beschrieben: „Die Entkriminalisierung des Drogenkonsums muss als Kernelement jeder öffentlichen Gesundheitsstrategie angesehen werden. Ein Süchtiger ist eine chronisch kranke Person, die für ihre Abhängigkeit nicht bestraft, sondern richtig behandelt werden sollte“, heißt es in der Studie.
Legalisierung als Option
In Expertenkreisen geht die Debatte allerdings längst viel weiter. Während in verschiedenen Ländern, einschließlich einigen Bundesstaaten der USA, eine Legalisierung und staatliche Kontrolle des Cannabiskonsums und -verkaufs debattiert wird, fordern manche Experten eine weitergehende Legalisierung auch anderer Drogen, wie etwa Kokain.
Gerade bei Kokain ist die Gewinnspanne zwischen Anbau und Endverkauf enorm: Für die rund 600 Kilogramm Kokablätter, die für die Herstellung von einem Kilo Kokapaste benötigt werden, erhält der kolumbianische Produzent etwa 585 US-Dollar. Durch Chemikalien aufs doppelte Volumen gestreckt und durch Mittelamerika und Mexiko in die USA geschmuggelt, erzielt diese Menge einen Straßenverkaufswert von rund 300.000 US-Dollar.
Unterwegs wird bestochen und womöglich gemordet – alles finanziert mit einem Gewinn, der nur durch die Illegalität des Marktes möglich ist. In der OAS-Studie heißt es: „Alles deutet darauf hin, dass weit weniger Menschen durch Drogenkonsum ums Leben kommen als durch mit dem Drogengeschäft im Zusammenhang stehende Verbrechen.“
Dieses Geschäft mit Polizei und Militär, mit dem Besprühen von Feldern und dem Zerstören von Labors auszutrocknen, scheitert seit Jahrzehnten. So sehen immer mehr Experten nur noch eine Lösung: Legalisierung. Für einen solchen Ansatz gibt es in Lateinamerika bereits Beispiele, aber es sind noch nicht viele, und sie beschränken sich vorrangig auf Cannabis.
In Uruguay liegt ein Gesetzesentwurf der Regierung zur Schaffung eines staatlichen Monopols auf Cannabisproduktion und -verkauf beim Parlament, in Mexiko wird Drogenbesitz zum Eigenverbrauch nicht mehr strafrechtlich verfolgt, in den US-Bundesstaaten Washington und Colorado stimmten die BürgerInnen im vergangenen Jahr in Referenden für die Legalisierung.
Allerdings: Internationale politische Unterstützung für den Legalisierungsansatz fehlt noch. Viele Politiker trauen sich derzeit nicht, das Thema offen anzugehen. Ein Entschluss wird in Guatemala nicht gefällt werden. Doch wenn die Berichte der Expertenkommission offen und auf höchster Delegationsebene diskutiert werden, ist ein weiterer Schritt zum Wandel getan.
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