Drogengewalt in Mexiko: Tausende Menschen auf der Flucht
Der Drogenkrieg in Ciudad Juárez an der Grenze zur USA wird immer brutaler. Allein 2010 mussten mehr als 3.000 Menschen sterben. Die Regierung fliegt inzwischen die Zivilisten aus.
CIUDAD JUAREZ afp | Sie nennen es den Exodus. Nach dem bisher blutigsten Jahr im Krieg gegen die Drogenkartelle verlassen tausende Arbeitsmigranten das nordmexikanische Ciudad Juárez. Diego Ramírez ist einer von denen, die sich in der Abwägung zwischer körperlicher und finanzieller Sicherheit für Erstere entschieden haben.
Gemeinsam mit zahllosen jungen Mexikanern war er auf der Suche nach Arbeit und höheren Löhnen an die Grenze zu den USA gekommen, um in einer der Fabriken anzuheuern, die dort 1994 nach der Gründung der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA entstanden waren. Doch kürzlich ist er mit seiner Familie in seine Heimat im Golfküstenstaat Veracruz zurückgekehrt.
"Wir musten unser Haus leer zurücklassen. Wir hatten es fast abbezahlt, doch wir hatten keine andere Wahl, wenn wir nicht riskieren wollten, in eine Schießerei zu geraten", sagt Ramírez. Obwohl er weder genau weiß, wo er nun Arbeit finden wird, noch was aus seinem Haus werden soll, entschied er sich, gemeinsam mit seinen beiden Söhnen und seiner 76-jährigen Mutter mit einem von der Regierung bezahlten Charterflug nach Veracruz zurückzukehren. Insgesamt haben rund 2.300 aus dem Küstenstaat stammende Menschen das Angebot der Regierung angenommen, doch nach Schätzungen sind Tausende mehr auf eigene Initiative zurückgekehrt.
Daniel Badillo vom Rückkehrerprogramm für Arbeitsmigranten schätzt, dass insgesamt 14.000 Menschen aus Veracruz, die zuletzt in 60 Dörfern entlang der US-Grenze lebten, ihre Sachen gepackt haben. Fast alle hätten die verbreitete Gewalt in Ciudad Juárez als Grund genannt. Einer jüngst veröffentlichten Studie der Autonomen Universität von Juárez zufolge wurden mindestens 32.868 Wohnungen in der Grenzstadt verlassen.
Die 1,3-Millionen-Einwohner-Stadt am Rio Grande, gegenüber der texanischen Stadt El Paso gelegen, steht im Zentrum des seit Jahren herrschenden Drogenkriegs: Mehr als 3.000 Menschen starben dort in diesem Jahr im Kampf der Drogenbanden gegen Polizei und Armee sowie bei internen Auseinandersetzungen. Das ist mehr als je zuvor.
Im Kampf gegen die Drogenkartelle sind landesweit seit dem Amtsantritt von Präsident Felipe Calderón, der erstmals die Armee einsetzte, mehr als 28.000 Menschen gestorben. Die Körper von Kugeln durchlöchert, bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, die Gliedmaßen abgetrennt, wurden ihre Leichen an Feldwegen abgeladen, von Brücken gehangen oder in Massengräbern verscharrt.
Die meisten der Toten sind Opfer des Kampfes zwischen den Banden. So auch in Ciudad Juárez, wo sich das Juárez- und das Sinaloa-Kartell einen gnadenlosen Krieg um Transportrouten und Märkte liefern. Doch immer wieder sterben dabei auch unbeteiligte Zivilisten.
Bei einem der brutalsten Vorfälle stürmten im Oktober vermummte Männer eine Hinterhofparty und eröffneten wahllos das Feuer auf die jungen Partygäste. Nach offiziellen Angaben starben 14 Menschen, 20 weitere wurden verletzt. Ermittler sagten, es sei das dritte derartige Massaker in Ciudad Juárez in diesem Jahr.
Die Bluttat hat viele Arbeitsmigranten in ihrer Entscheidung bestärkt, Juárez zu verlassen. Vor seiner Abreise hat Diego Ramírez den Schlüssel seines Hauses bei den Nachbarn gelassen. Diese wollen nun versuchen, es zu vermieten. Wo er selbst mit seiner Familie unterkommen wird, weiß er noch nicht. Immerhin haben ihm seine Brüder versprochen, ihm Arbeit in einer Werkstatt zu besorgen.
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