ARD-Doku über den Drogenkrieg in Mexiko: Mengenrabatt: ein Mord für 50 Dollar

Die ARD zeigt eine sehenswerte Dokumentation über den Drogenkrieg in Mexiko - endlich mal, aber erst nach Mitternacht: "Showdown am Rio Grande".

Ciudad Juárez, 10. Februar 2011: Kurz zuvor wurde ein Polizist in seinem fahrenden Auto erschossen. Bild: reuters

Die Welt ist klein, ganz besonders im Moment gerade - aber der Rio Grande für die ARD trotzdem ziemlich weit weg. Diese Haltung lässt sich am Umgang mit dem Film "Showdown am Rio Grande" ablesen. Erst sollte die Dokumentation am 9. Februar laufen, wurde dann aber kurzfristig durch das als relevanter erkannte Thema "Weltmacht Wikileaks?" ersetzt. Als neuen Sendetermin bestimmte die ARD den Mittwoch, Uhrzeit 23.45 Uhr.

Auch dabei sollte es nicht bleiben, "Die Vertreibung der Tyrannen" aus Nordafrika kam dazwischen und vertrieb den Film von Thomas Schaaf über den "Drogenkrieg im Mexiko" (Untertitel) auf einen noch ungnädigeren Sendeplatz: 0.15 Uhr.

Um 20.15 Uhr hat das Erste an den beiden Tagen übrigens das Fußball-Länderspiel Deutschland-Italien und die Sendung "Düsseldorf Helau" programmiert. "Jebuddelt, jebaggert, jebützt" lautet das Motto der Düsseldorfer Jecken, panem et circenses das der ARD-Programmplaner. Da hat die Woche der ARD-Dokumentaristen nicht sieben, sondern zwei Tage. Und die müssen es hinnehmen, wenn jene Programmplaner ihre - verglichen mit dem montags gesendeten Material - besseren Dokus am sehr späten Mittwochabend gegeneinander ausspielen.

Und zu besagten besseren Dokumentationen gehört "Showdown am Rio Grande" ganz bestimmt - trotz des reißerischen Titels und des stellenweise ebensolchen Jargons. Thomas Schaaf hat sich in seinem ARD-Auslandsstudio Mexiko-Stadt so gravitätische Worthülsen zusammenfabuliert wie: "Juárez ist wie ein Menetekel für eine Welt, die aus den Fugen geraten ist."

Gemeint ist die Stadt Ciudad Juárez, 1,3 Millionen Einwohner, so groß wie München. Eine der wichtigsten Transitrouten für Kokain und andere Drogen in die Vereinigten Staaten. Schaaf: "In der mexikanischen Wüstenstadt, direkt an der Grenze zu den USA, herrscht Krieg. Nirgendwo anders werden - gemessen an der Einwohnerzahl - so viele Menschen umgebracht. Juárez ist die tödlichste Stadt der Welt" (wie gesagt: Der Film lag eine kleine Weile in der Schublade, verlässliche Vergleichszahlen aus dem Tripolis dieser Tage gibt es nicht).

Die Lage ist nicht so übersichtlich wie einst bei "Miami Vice", es kämpfen nicht einfach nur die guten Polizisten gegen die bösen Drogengangster. Vielmehr befehden sich das Juárez- und das Sinaloa-Kartell - und die Rolle der Bundespolizei ist unklar. Ein Aussteiger, einer von zehn Zeugen in Schaafs 30-Minüter, wähnt die Federales auf Seiten des Sinaloa-Kartells. Ein Lokalreporter meint: "In Wirklichkeit wissen sie doch selbst nicht, gegen wen sie da kämpfen."

Und in der Wahl der Methoden scheint der Staat mit den Kartellen längst auf Augenhöhe. Ein staatlicher "Ombudsmann Chihuahua" attestiert der Armee "mehr als 5.000 Mal schwere Verletzungen elementarer Menschenrechte"; ein lebenslänglich einsitzender Auftragsmörder erläutert seinen früheren Beruf: "Nehmen Sie zum Beispiel die Massaker. Das sind Säuberungen, die auch von der Staatsgewalt in Auftrag gegeben werden. So was wird bei Leuten wie mir bestellt. Ein Mord kostet zwischen 50 und 100 Dollar." Vielleicht ist der Jargon doch mehr angemessen als reißerisch.

"Showdown am Rio Grande", Mittwochabend, 0.15 Uhr, ARD

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