Drogendebatte wie von damals: Das Rauschgift-Revival
Dank Cannabis-Legalisierung und Crack-Welle machen Drogen Schlagzeile wie lange nicht. Unser Kolumnist fühlt sich an die frühen 1990er-Jahre erinnert.
E in bisschen gewundert habe ich mich ja doch über das Rauschgift im Zug – auch weil ich das Wort längst für ausgestorben hielt. Gehört habe ich es vergangene Woche nun gleich zweimal: Erst von einer anderen Bahnpendlerin kurz vorm Bremer Hauptbahnhof, wo der Staat gerade aggressiv gegen Crackraucher:innen vorgeht. Die Droge schlägt hier gerade in großem Stil ein und zerschießt in rasender Geschwindigkeit Wohnungslose, mit denen man vor wenigen Monaten noch entspannt plaudern konnte. Die Pendlerin hatte über derartige Gespräche zwar nichts zu berichten, war sich mit ihrer Kollegin aber einig darin, dass dringend etwas zu tun sei.
Das andere „Rauschgift“ erklang dann wenig später zu Hause am Dorfbahnhof, wo zwei Jungs sich darüber unterhielten, dass sie dringend welches kaufen „müssen“. Warum sie das müssen, habe ich nicht verstanden, wohl aber, dass vom gerade knietief in Legalisierung und Langeweile verstrickten Marihuana die Rede war. Vielleicht ja gerade darum „Rauschgift“: um noch ein bisschen was festzuhalten vom Verruchten und der Rebellion.
Ich habe beruflich mit den Opfergruppen von Gras und Crack (also beiden) mehr zu tun als für die Laune gut ist: „Stein“ rauchende Wohnungslose und „Gras“ rauchenden Student:innen. Die Schnittmenge ist gleich null und auch sonst sind ihre Geschichten sehr unterschiedlich. Die einen nerven, die anderen verrecken.
Die brachiale Gewalt, mit der Crack über menschliche Körper und Beziehungen hinwegfegt, konnte ich mir nicht vorstellen, bis ich sie selbst gesehen habe. Die Kriminalisierung des Kiffens, die früher ja immer mit dem Gefasel über „Einstiegsdrogen“ einherging, hat mir die Sache eher unwirklicher werden lassen, statt mich zu warnen, geschweige denn vorzubereiten auf den Umgang mit Suchtkranken.
Miesgemacht vom Sozi-Buch
Nicht dass ich wahnsinnig viel gekifft hätte. Ehrlich gesagt war es sogar wirklich das pädagogische Abschreckungsprogramm der Schule, das mir die Sache madig gemacht hat. Da war ich 15 oder so, vielleicht 16. Im Schulbuch war nach Heroin, Kokain und (fortschrittlicherweise) auch Alkohol die Wirkung von Haschisch sinngemäß wie folgt beschrieben: „Es wird einem schwindelig und man hält sich für tiefgründig.“ Als ich das las, hatte ich keine Lust mehr drauf. Aber das war eben die Schule. Polizei und Politik waren da weniger clever.
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Dass sich die beiden großen Drogenfragen unserer Zeit wie ein parodistisch überspitzte Revival der 80er und 90er anfühlen, ist nur auf den ersten Blick lustig. Dass etwa die Staatsgewalt in Bremen und anderswo bis heute keinen besseren Einfall hatte, als die Leute vom Großstadtbahnhof ins Nachbarviertel zu vertreiben, ist ein einziges Trauerspiel.
Auf dem Dorf ist die Sache entspannter und natürlich gönne ich den Kids ihr heimliches Gras hinter der Skaterbahn. Klar tut das nicht allen gut, aber ich gehe jede Wette ein, dass die Legalisierung ihnen den Spaß verdirbt, bevor sie zu tiefgründig werden. Wütend macht mich hingegen, wohin sich die alte Dichotomie von verdientem Feierabendbier und tödlichen Haschischspritzen auch auf dem Dorf wandelt.
Verdruckst, klammheimlich, aber immerhin wird auch hier die Sehnsucht laut nach gemeinschaftlich gezogenem Bio-Hanf, während das Dosenbier der „Asozialen“ für den Untergang von Zivilisation und Volksgesundheit steht.
Es geht bei Suchtkranken nicht um Rausch und nicht um Substanzen, sondern um Armut. Und es tut fast körperlich weh, solche Banalitäten heute noch aufschreiben zu müssen. Aber das ist es eben, was in den derzeit wieder energischer geführten Rauschgiftdebatten zwischen Crackjunkies und frisch legalisierten Kleingärtner:innen offenbar doch immer wieder unter die Räder kommt.
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