ausgangssperren in europa
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Macron eiert um den dritten Lockdown herum

Frankreich erlebt gerade die dritte Welle der Pandemie und begegnet ihr mit halbherzigen Maßnahmen eines Lockdowns, den Präsident Macron aber auf keinen Fall so nennen will

Gendarmen wachen am vollen Pariser Seine-Ufer über die Einhaltung der Coronabestimmungen Christian Hartmann/reuters Foto: Foto:

Aus Paris Rudolf Balmer

Seit Wochen sagt Präsident Emmanuel Macron, er wolle einen harten Lockdown vermeiden, den seine wissenschaftlichen Berater und die Mediziner öffentlicher Krankenhäuser gefordert hatten. Jetzt sind die Intensivstationen in mehreren Landesteilen, darunter der Hauptstadtregion, bis an die Kapazitätsgrenzen oder sogar darüber hinaus belegt.

Seit Beginn der „dritten Welle“ versuchen die Behörden, Zeit zu gewinnen, bis die Impfkampagne voll im Gang ist. Wie in den Nachbarländern hat sie aber mangels Impfstoffen verspätet und zu langsam begonnen. Die nächtliche Ausgangssperre um 20 Uhr wurde darum Mitte Januar auf 18 Uhr vorverlegt. Schulen und Geschäfte aber blieben geöffnet. Nach der Sperrstunde (wegen Sommerzeit jetzt um 19 Uhr) sind in Paris tatsächlich weniger Leute auf der Straße. Doch viele haben Freunde oder Verwandte, die freimütig erzählen, dass sie sich in Wohnungen zu „klandestinen“ Diners oder Partys treffen, da sie Polizeikontrollen kaum fürchten. Andere haben berufliche Ausreden.

In Nizza und Dunkerque wurde angesichts der rasanten Entwicklung zusätzlich ein Lockdown am Wochenende angeordnet. Dessen Wirkung blieb bescheiden. Vor zehn Tagen musste dann die Regierung in bisher 19 Départements, in denen mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung lebt, weitere Ausgangsbeschränkungen dekretieren. Dort darf man sich nur in einem Zehn-Kilometer-Umkreis bewegen. Geschäfte, die nicht „unentbehrlich“ sind, mussten wieder schließen. Für Restaurants, Cafés, Theater ist die Wiedereröffnung nicht in Sicht. Offiziell ist nicht von einem dritten „Confinement“ (Lockdown) die Rede.

Doch das ist Wortklauberei, weil Macron am Rande eines Europäischen Rats erklärt hatte, er habe keinen Anlass zu einem „Mea culpa“, denn die von den Epi­de­mio­lo­g:in­nen prophezeite „Explosion“ der Zahl von Neuinfektionen sei ausgeblieben. Die Medien dagegen sprachen fast einstimmig von einer „verlorenen Wette“ des Staatschefs, der bei Corona alles allein beschließen wolle.

Vor allem in den Schulen, die immer offen blieben, häufen sich derzeit die Infektionen, die eine Schließung der betroffenen Klassen erfordern. Die dritte Welle zwingt nun Macron, die „Schraube“ der Restriktionen weiter zuzudrehen. Die Ankündigung wird Mittwoch oder Donnerstag erwartet.