Drei Frauen liegen sehr gut im Rennen: Rekorde und Dramen auf hoher See

Beim französischen Transatlantikklassiker Route du Rhume kommt es zu teilweise knappen Zieleinläufen im Hafen von Pointe-à-Pietre in Guadeloupe.

Schräg liegende Segelyacht von Thomas Ruyant von hinten.

Bei den Imocas am Sonntag kurz vor dem Ziel knapp in Führung: Thomas Ruyant direkt nach dem Start Foto: Foto: imago

Bei der 12. Auflage der Route du Rhum („Rumregatta“) sind die führenden Solosegler der Imoca-Klasse kurz vor dem Ziel im karibischen Überseedepartement Guadeloupe. Der Franzose Thomas Ruyant, der Sonntagmittag nur 5 Seemeilen Vorsprung hatte, und der französische Topfavorit Charlie Dalin werden am Montagmorgen den Sieg unter sich ausmachen.

Dalin führte vom Start und hatte bis zu 100 Seemeilen Vorsprung, verlor aber am Freitag die Führung. Er hatte mit vielen Halsen auf Winddreher reagiert, als sein sonst schnelles Boot auf dem Vorwindkurs langsamer war als das von Ruyant.

Im Ziel sind schon die ersten acht Ultim-Trimarane. Diese Dreirumpfboote mit Tragflächen sind die schnellsten der sechs beteiligten Bootsklassen. Charles Caudrelier, der zu Beginn noch an einer Lebensmittelvergiftung litt und mittels GPS-Daten nachweisen konnte, dass er doch nicht zu früh gestartet war, stellte mit 6 Tagen, 19 Stunden und 47 Minuten einen neuen Rekord auf, mehr als 18 Stunden weniger als der bisherige.

Dalin hatte nur bei den Azoren kurzzeitig die Führung an den späteren Zweiten François Gabart verloren. Auch dieser und der Dritte unterboten den alten Rekord. Der 48-jährige Sieger Caudrelier, der auch schon zweimal mit einem Team das Ocean Race um die Welt gewonnen hatte, erreichte jetzt Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 35 Knoten.

Drei Frauen sind vorn mit dabei

Am Sonntagmittag kamen auch die ersten beiden Segler der kleineren Trimaran-Klasse Ocean Fifty im Abstand von nur 19 Minuten ins Ziel. Diese Klasse steht im Schatten der extremen Ultims, die stets die technische Grenzen ausreizen und immer wieder verschieben.

Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen aber die 18 Meter langen Imocas. Sie starten im Januar bereits vom spanischen Alicante aus zu ihrem nächsten Rennen um die Welt, dann nicht mit Soloseglern, sondern mit Mannschaften.

Jetzt sorgen neben dem Zweikampf Dalin – Ryant drei Frauen für Aufsehen. Die Schweizerin Justine Mettraux liegt auf Rang 7 und kann noch 6. werden, die Deutsch-Französin Isabelle Joschke segelt derzeit auf Platz 9 und die Britin Pip Hare ist 12. Den gesamten Rest der ersten 15 Boote steuern nur französische Männer.

Die 36-jährige Mettraux profitierte davon, dass sie bei einer uneindeutigen Windvorhersage nach den Azoren einen anderen Kurs wählte als das Feld ihrer ummittelbaren Gegner. Die fanden sich dann bald hinter Mettraux wieder.

Boris Herrmann abgeschlagen mit neuem Boot

Nicht gut läuft es für den Hamburger Boris Herrmann, der 2021 ein Millionenpublikum begeisterte. Er liegt mit seinem neuen Boot 755 Seemeilen hinter dem Führenden Ruyant nur auf Rang 24 unter den 34 verbliebenen Imocas.

Herrmann startete vorsichtig, um sich vor allem mit seinem neuen Boot vertraut zu machen. Doch sind ihm fast alle Konkurrenten mit neuen Booten, die damit so wenig vertraut sind wie er, enteilt. Der 41-Jährige fährt jetzt sogar seinem alten Boot hinterher. Ein Grund waren taktische Fehler, doch ist er in den Augen vieler Beobachter einfach zu vorsichtig.

Auf Herrmanns Großsegel steht der Slogan „A Race we must win“ – womit der Kampf gegen den Klimawandel gemeint ist. In Anspielung darauf schrieb der Chefredakteur des Fachmagazins Yacht, Jochen Rieker: „Derzeit wäre es angebrachter, es hieße ‚A Race we must want to win‘.“ Was ja auch für den Kampf gegen den Klimawandel gilt.

Zuletzt bekam Herrmann auch noch Probleme mit dem Lager der Steuerbord-Tragfläche. Dort sind drei Haltebolzen verbogen, die er auf See nicht allein tauschen kann. Um weitere Schäden zu vermeiden, verzichtet er inzwischen auf das Foilen, kann so aber auch nicht mehr aufholen. Damit geht es für ihn nur noch ums Durchhalten, weil die Ankunft im Ziel wichtig ist für die Qualifikation zur Soloregatta Vendée Globe 2024.

„Der Tod hat mich heute nicht gewollt“

Dies verpasste der Franzose Fabrice Amedeo auf dramatische Weise. In schwerer See platzte ihm ein Ballast­tank und flutete die Kajüte mit hunderten Litern Wasser. Das zerstörte die Elektrik samt Autopilot, Bordcomputer und Funkanlage. Amedeo gab auf und drehte Richtung Portugal ab.

Doch brach bald ein Feuer aus, wohl durch Kurzschluss. Amedeo konnte es löschen, doch bald ein zweites Feuer nicht mehr. Als er gerade im Cockpit war, schoss plötzlich die Stichflamme einer Explosion aus der Kajüte. Amedeo konnte noch die Rettungsinsel ins Wasser werfen und hinterherspringen. Doch diese löste sich nicht wie vorgesehen vom Boot und lief stattdessen voll Wasser, bevor er sie endlich losschneiden konnte. Brennend ging sein Boot unter.

Zum Glück fing ein Frachtschiff sein Notsignal auf und konnte ihn im zweiten Anlauf auch finden. Bei fünf Meter hohen Wellen musste Amedeo vom winzigen Gummifloß auf die am riesigen Stahlrumpf des Frachters hängende Leiter springen, ohne dabei unter den Schiffsrumpf gedrückt zu werden. Das gelang ihm mit Glück. „Der Tod hat mich heute nicht gewollt“, schrieb der frühere Journalist kurz darauf über seine Rettung.

Zwei Tote bei Kenterung von Begleitboot in Guadeloupe

Ähnlich dramatisch war die Rettung des mit seinem Trimaran gekenterten Thibaut Vauchel-Camus. Er konnte sich in den Hauptrumpf des auf dem Kopf treibenden Bootes retten und aus der Luftblase SOS funken. Nach einigen Stunden erreichte ihn ein anderer Regattasegler und konnte ihn durch die Notklappe im Heck herausziehen.

Bisher mussten 26 der 138 Segler aufgeben. So wichtig die Sicherheitsvorschriften für sie sind, so ertranken beim nächtlichen Zieleinlauf Caudreliers vor Pointe-à-Pietre am Mittwoch trotzdem zwei Zuschauer beim Kentern ihres Begleitbootes.

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