Dreckschlacht in Niedersachsen: Pfuschen kann die CDU auch
Auch Ex-Ministerpräsident David McAllister soll in seiner Regierungszeit ein Unternehmen bei einer öffentlichen Auftragsvergabe bevorzugt haben
Hannover taz | Die CDU hat eine ordentliche Portion Dreck zurück bekommen. Monatelang kritisierte die Partei die diversen Fehler und Manipulationen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge der rot-grünen Landesregierung. Schon damals war klar, dass es auch in der schwarz-gelben Vorgängerregierung Fehler gegeben hatte. Der Landesrechnungshof hatte verschiedene Vorgänge gerügt. Nun machte die Niedersächsische Staatskanzlei einen Fall öffentlich, der den früheren Ministerpräsidenten David McAllister persönlich belasten könnte.
Wieder soll es Vorabgespräche mit einer Agentur gegeben haben, die den Auftrag für eine Umfrage zum „Bild von der Landesregierung unter der Leitung von David McAllister“ im Jahr 2011 bekam. In den Akten gebe es „ein paar Formulierungen, die darauf schließen lassen, dass das damals nicht sauber abgegangen ist“, sagt der Sprecher der Staatskanzlei Olaf Reichert. Es geben außerdem handschriftliche Hinweise, dass es Rücksprachen mit McAllister und der damaligen Chefin der Staatskanzlei gegeben habe. McAllister selbst wollte sich gegenüber der taz dazu nicht äußern.
Laut Reichert steht in den Vermerken etwa, dass das Angebot der später siegreichen Agentur „Produkt und Markt“ in Telefonaten und Gesprächen „annahmefähig gemacht“ worden sei. Das klinge, als sei vorher Hilfestellung gegeben worden.
Die zusätzlichen Informationen seien „augenscheinlich nicht“ an die beiden Mitbewerber weiter gegeben worden, sagt der stellvertretende Regierungssprecher. Obwohl die Studie später gar nicht veröffentlicht worden sein soll, weil kurz vorher eine Umfrage des NDR herauskam, die eine ähnliche Fragestellung hatte, soll das Unternehmen aus Wallenhorst die vereinbarten 44.600 Euro erhalten haben.
Die Staatskanzlei habe nun das Rechtsreferat damit beauftragt, den Auftrag zu prüfen – allerdings nicht nur vergaberechtlich. Es solle auch herausgefunden werden, ob die damalige Landesregierung „Steuergelder missbräuchlich verwendet“ habe, sagt Reichert.
Denn in den Akten gebe es auch „eine ganze Reihe von Unterlagen, die eine Verbindung zur Partei herstellen“. Laut der Neuen Osnabrücker Zeitung sei ein Angebot der Agentur an die Landes-CDU in den Akten der Staatskanzlei abgeheftet gewesen.
Es dränge sich der Verdacht auf, dass McAllister „vor der Landtagswahl 2013 regierungsfreundliche Umfragen beauftragt und eventuell sogar gemeinsam mit der Landespartei formuliert“ habe, sagt Grant Hendrik Tonne von der SPD und ergänzt: „Sollte sich das bewahrheiten, sprechen wir über einen Fall illegaler Parteienfinanzierung.“
Olaf Reichert, stellvertretender Regierungssprecher
Für die Landes-CDU ist der Vorstoß der Staatskanzlei, die selbst angibt, den Fall aufgrund einer Medienanfrage zu untersuchen, reines Wahlkampfgetöse. „Das ist ein platter Versuch, vom eigenen Versagen abzulenken“, sagt Gert Hahne, der Sprecher des CDU-Spitzenkandidaten Bernd Althusmann.
„Es gab damals keine Verquickung zwischen Partei und Regierung.“ Auch einen Vergabefehler könne er nicht erkennen, sagt Hahne. Und selbst, wenn doch Fehler gemacht worden seien, sei es ein großer Unterschied dazu, ein Verfahren „bewusst in eine Richtung zu lenken, um vermutlich Genossen mit Aufträgen zu beglücken“.
CDU und FDP werfen den Sozialdemokraten vor, Aufträge gezielt an SPD-nahe Agenturen vergeben zu haben. In der Vergabeaffäre mussten bereits zwei Staatssekretäre zurück treten.
Die Fraktionschefin der Grünen, Anja Piel, kündigte an, dass sie die Regierung in diesem Fall um eine Unterrichtung bitten und Akteneinsicht beantragen wolle. Zudem sei es sinnvoll, dass der Landesrechnungshof sich mit dem Verfahren befasse. „Das Vergaberecht muss unabhängig der politischen Mehrheit gelten“, sagt Piel. Der Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung sei zudem so schwer, dass er ausgeräumt werden müsse. „Das tut sonst der Politik insgesamt nicht gut.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?