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Dramaturg über Demokratie am Theater„Fehlt jemand, klappt es nicht“

Das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg sucht die „Zukunft der Demokratie“. Konzipiert hat die neue Gesprächsreihe der Dramaturg Lukas Bärfuss.

Demokratie als Demo-Anliegen: Teilnehmer einer Kundgebung gegen Rassismus am 21. März 2024 in Hamburg Foto: Marcus Brandt/dpa
Alexander Diehl
Interview von Alexander Diehl

taz: Lukas Bärfuss, wie demokratisch geht es am Theater zu?

Lukas Bärfuss: Das ist eine gute Frage. Da gibt es immer noch viel zu tun. Demokratie ist ein Prozess, und wir müssen immer noch mehr Menschen integrieren in die demokratische Entscheidungsfindung. Das gilt für die Betriebe und ganz sicher auch fürs Theater. Gleichzeitig muss man sagen: Ich habe gerade ein großes Theaterprojekt in Einsiedeln in der Schweiz mit 500 Laiendarstellern – das ist schon auch eine Utopie von Gesellschaft: Dass da alle an einer Sache arbeiten, die niemand alleine kontrolliert, und es geht auch nur zusammen. Das erlebt man nämlich am Theater auch: Wenn jemand fehlt, und sei es nur jemand, der ein Knöpfchen drückt, wird das Knöpfchen nicht gedrückt – dann funktioniert es nicht. Am Theater wissen wir also ganz genau, wie stark die Sache von allen abhängig ist. Ich glaube, deshalb ist es auch immer wieder ein Labor für die Demokratie. In einer gewissen Weise, einer gewissen Tradition nach, haben gerade in Deutschland die Aufklärung und damit die Demokratie im Theater einen Ursprung: in Hamburg mit Lessing. Und es ist immer wieder der Ort gewesen, an dem das Bürgertum sich selbst erfunden hat.

Bild: Maximilian Lederer
Im Interview: Lukas Bärfuss

Lukas Bärfuss

52, Schriftsteller, Bühnenautor, Theaterregisseur und Dramaturg, kuratiert die Gesprächsreihe „Zukunft der Demokratie“ in Hamburg zusammen mit Judith Gerstenberg.

Nun haben wir den Zusammenhang historisch ausgeleuchtet – was macht die Bühne geeignet, darauf über die Zukunft der Demokratie nachzudenken? Zu einem besseren Ort als, sagen wir, die Kneipe …

… oder das Fernsehstudio?

Das Fernsehstudio am Sonntagabend: Da wird auch Theater gespielt, aber nicht so deklariert.

Ich habe es immer wieder erlebt, dass ideologische Diskurse keine 30 Sekunden lang überlebt haben auf der Bühne. Sie ist eine Art Lupe: Man erkennt unredliche Argumentation sehr schnell. Ich bin nicht ganz sicher, woran das liegt. Vielleicht daran, dass man am Dienstag „King Lear“ gespielt hat, und am Mittwoch ist dann die Diskussionsveranstaltung? Ich glaube, es braucht auf einer Theaterbühne eine große Redlichkeit in der Argumentation. Da mache ich mir bei meinen Gästen aber überhaupt keine Sorgen.

Den Auftakt in Hamburg bildet nun der Politologe Herfried Münkler, im Juni folgt Herta Müller, danach Carolin Emcke … wie ist die Auswahl zustande gekommen?

Wer sich ansieht, wen ich so alles zu Gast hatte, in München etwa, weiß, dass ich versuche die Gesamtheit abzubilden, so gut das halt geht. Wir haben beruflich eine ziemliche Bandbreite, wir haben sie noch nicht so, was die Generationen angeht – die jungen Stimmen kommen dann im Herbst. Denn sonst versteht man das Zeug einfach nicht! Man muss immer über den eigenen Erfahrungshorizont hinaus diskutieren, transnational, transgenerationell, transgeschlechtlich … das ist entscheidend!

Auch über die Klassengrenzen hinweg, nehme ich an. Wir hatten über das Bürgertum gesprochen, das sich im Theater erfindet, auch miteinander verständigt: Bleibt es nicht immer auch ein wenig unter sich, an so einem Ort?

Der Auftakt

Gesprächsreihe „Zukunft der Demokratie – #1 Wie es um die Demokratie bestellt ist“ mit Herfried Münkler: 23. 4., 19.30 Uhr, Schauspielhaus, Hamburg

Wenn ich gerade die Bücher von Herfried Münkler lese, dann müsste man es schon wieder befürworten, dass man sich kümmert um das doch sehr lädierte Bildungsbürgertum – das wäre heute schon Randgruppenpflege. Ich habe damit kein Problem. Das andere ist, dass wir uns natürlich an Demokratinnen und Demokraten wenden – da bleiben wir hoffentlich unter uns. Was aber die möglichen Schwellenängste angeht, ins Theater zu gehen: Daran etwas zu ändern, ist für jede Institution eine große Herausforderung. Auf der anderen Seite, glaube ich, stößt man da auch auf eine marktwirtschaftliche Logik: Geht es manchmal nicht vor allem darum, neue Märkte zu erobern?

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